Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
dann könnte ich ja gleich hier draußen und in aller Öffentlichkeit verhandeln, nicht wahr?"
"Sehr wohl, Mylord, wie Ihr wünscht. Aber ich werde veranlassen, dass Eure Kajüte gesichert wird. Die Gefangene wird nicht entrinnen können."
"Falls ich das überhaupt wollte", gab Jeannet spöttisch zur Kenntnis.
"Aber wozu wäre ich dann überhaupt freiwillig und allein hergekommen? Um anschließend wieder alles zu tun, um zu fliehen?
Was wäre daran logisch, Erster Offizier?"
Sie folgte Lord Cooper kopfschüttelnd und betrat hinter ihm dessen Kajüte.
Ein interessanter Mann, dieser Lord Cooper, dachte sie. Seine große, breitschultrige Gestalt gefiel ihr ebenso wie der Klang seiner Stimme. Wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten ---wer weiß, was dann gewesen wäre?, dachte sie.
Aber waren die Umstände für eine wie sie nicht immer falsch?
War jemand wie sie nicht eigentlich dazu verdammt, auf Liebe zu verzichten?
Und was den Gesandten und Berater der Königin anging, so standen sie einfach auf unterschiedlichen Ufern eines Ozeans. Da mochte das Timbre einer tiefen, leicht rauen Stimme sich noch so sehr in ihr Herz schmeicheln. Diese Stimme durfte dort keinen Platz finden. Tritt das Feuer aus, solange es noch klein ist , überlegte die Piratenkapitänin.
So hatte sie es immer gehalten.
Es war wohl auch in Zukunft das Beste so.
*
Lord Cooper hörte, wie die Tür ins Schloß fiel, und drehte sich zu seiner Gefangenen um. Den Degen hatte er immer noch kampfbereit in der Rechten.
Doch Jeannet war längst nicht mehr an der Tür.
Der Lord war ehrlich überrascht. Auch wenn es nur
Sekundenbruchteile andauerte, bis er sich von dieser Überraschung erholt hatte, genügte es Jeannet völlig, ihm von hinten ihr scharfes Piratenmesser an die Kehle zu setzen.
Er lachte überlegen und machte eine Ausweichbewegung, die eigentlich unmöglich war aus der Sicht von Jeannet. Zumindest hätte er sich dabei den blanken Hals verletzen müssen.
Nichts dergleichen. Er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und geriet außer Reichweite ihres Messers. Sie selbst aber blieb in Reichweite seines Degens.
Jeannet wich geschmeidig zur Seite hin aus.
Lord Cooper folgte ihr mit der Degenspitze und machte einen blitzschnellen Ausfallschritt.
Jeannet tauchte ab, glitt zur Seite. Lord Cooper wirbelte herum, ließ
den Degen durch die Luft zischen, drehte eine Pirouette wie auf dem Eis, bewegte sich dabei ein gutes Stück seitlich, nahm erneut Grundposition ein...
Jeannet stand am Kartentisch.
Ihre Augen wurden schmal. Warum hast du ihn angegriffen? Um dich nicht deinen wahren Gefühlen stellen zu müssen? Um nicht zugeben zu müssen, dass dich in demselben Moment, als du diesen Mann zum ersten Mal sahst, aus heiterem Himmel ein Blitz getroffen hat!
Sie versuchte, diese Gedanken davonzuscheuchen.
Es waren Gedanken, die sie schwach zu machen drohten. Und Schwäche war etwas, das eine Piratenkapitänin um jeden Preis vermeiden musste. Nie wieder wollte sie schwach sein. Das hatte sie sich in dem Moment geschworen, als die fanatisierten Soldaten ihre Eltern ermordeten und sie ohnmächtig die Schreie hatte mitanhören müssen. Sie atmete tief durch.
Er hätte dich gerade töten können!, ging es ihr durch den Kopf. Aber er hatte es nicht getan. Und das musste seinen Grund haben. Lag es an der ganz besonderen Nuance, die sie in seinem Blick zu entdecken geglaubt hatte? Ein Feuer, von dem sie ihren Blick nach Möglichkeit abgewandt hatte. Du Närrin! Hast du etwa Angst geblendet zu werden?
Du hast genau erkannt, was in diesem Mann vor sich geht ---und das, was mit dir selbst los ist! Es hat keinen Sinn, die Wahrheit einfach zu leugnen und den Kopf in den Sand zu stecken.
"Ihr seid ein wahres Phänomen, Mylord", hörte sie sich selbst sagen und dachte dabei: Was redest du nur für dummes Zeug!
Lord Cooper hob die Augenbrauen.
"Danke, gleichfalls!", sagte er.
"Es gibt wahrlich nur äußerst wenige wie uns beide."
"Haltet Ihr Euch denn für etwas Besonderes?"
"Das wollte ich damit nicht zum Ausdruck bringen, Mylord, nur bin ich gewissermaßen eine Kuriosität, genauso wie Ihr."
"Nun, Ihr als weiblicher Piratenkapitän und erfolgreiche Führerin einer so wilden Horde von Mordgesellen... Da kann Euch niemand widersprechen."
"Ich frage mich jedoch, Mylord, was einen Mann wie Euch dazu bringt, Lakai der Königin zu werden!"
"Ich bin ihr Berater, nicht ihr Lakai!"
"Worin liegt da der
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