Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
besonderer Umstand.
Jeannet gab die Anweisung, die WITCH BURNING in der Mitte des Hafenbeckens ankern zu lasen. Man durfte auf keinen Fall das Risiko eingehen, zu nah an die Uferregion zu gelangen und dadurch das Risiko eingehen auf Grund zu laufen.
Am Ufer sammelten sich bereits Schaulustige und winkten den Piraten zu.
Hier und da wurden auch Salutschüsse aus Musketen abgefeuert. Munition war etwas, woran es auf New Antikythera keinerlei Mangel bestand. Schließlich gab es ständig Nachschub von den gekaperten Schiffen, die mehr als genug davon mit sich führten. Manchmal so viel, dass Jeannet aus Sicherheitsgründen darauf bestand, einen Teil der Beute zu versenken. Schließlich bestand immer die Gefahr, dass Schießpulver ungewollt explodierte und ein Schiff dann buchstäblich in Stücke riss. Nachdem die WITCH BURNING geankert hatte, wurden die ersten Boote zu Wasser gelassen, um die Besatzung an Land zu bringen. Einige besonders ungeduldige, die es nicht abwarten konnten, eines der hiesigen Freudenmädchen zu besuchen, sprangen einfach über Bord und legten die letzten Meter bis zum Ufer schwimmend zurück, anstatt darauf zu warten, einen Platz auf einem der Boote zu bekommen.
Ein paar wenige Unglückliche allerdings hatten die wenig dankbare Aufgabe das Schiff zu bewachen.
Man würde sie später selbstverständlich ablösen, aber bis dahin würde sich die Ungeduld bei manchem von ihnen ins schier Unerträgliche steigern. Schließlich hatten sie viele Wochen lang keinen Fuß mehr auf festes Land gesetzt, geschweige denn die Annehmlichkeiten eines Hafens genossen.
Jeannet teilte sich selbst diesen Unglücklichen zu.
Ihr stand im Moment ohnehin nicht der Sinn nach dem Trubel, der den Hafen in Kürze bis in den hintersten Winkel erfassen würde. Es war immer dasselbe. Sobald die WITCH BURNING in der Bucht von New Antikythera eintraf, begann eine Verwandlung. Innerhalb kürzester Zeit veränderte sich dieser Ort und wurde zu einem Hafen voller Leben, voller Musik, Spelunken und betrunkener Seeleute.
Jeannet sah den ersten Booten nach, die dem Ufer entgegenstrebten.
"Ihr seid Euch sicher dass Ihr hierbleiben wollt?", fragte Ben Rider.
"Vollkommen sicher", erwiderte Jeannet abwesend.
"Ich hoffe nicht, dass Ihr Euch weiterhin unnnötige Gedanken macht."
"Meine Gedanken lasst am besten meine Sorge sein", verteidigte sie sich. Sie konnte die Einmischungen des ehemaligen Marschalls einfach nicht länger dulden. Es wurde längst schon Zeit, dass sie diesen Dreistigkeiten einen entschiedenen Riegel vorschob. Aber im Moment ist nicht der richtige Augenblick, erkannte sie. Sie hatte in diesen Dingen einen sechsten Sinn. Dieser Instinkt für Macht hatte ihr bislang das Leben und ihre Position gerettet. Kein Piratenkapitän kam ohne diesen Instinkt aus, zumindest nicht, wenn er irgendwann lebendig seine Schätze genießen wollte.
"Ihr braucht meinetwegen keinerlei schlechtes Gewissen zu haben", sagte Jeannet an Ben Rider gewandt. "Und was meine Gedanken angeht
---so sind sie frei wie der Wind, Ben!"
"Es mag Euch ein Trost sein, daran zu glauben, Jeannet. Tatsächlich ist Freiheit eine Illusion. Eine Chimäre, der der eine oder andere nachjagen mag, ohne sie je zu erreichen."
"Ich nehme an, Ihr wisst, wovon Ihr sprecht?"
Ben Rider schluckte.
"Oh, ja", murmelte er. "Das weiß ich sehr gut. Besser, als Ihr glaubt, Jeannet."
Jeannet sah dem Marschall noch nach, wie er mit einem der letzten Boote Richtung Ufer aufbrach.
Er selbst hat seine unmögliche Liebe zu dieser Adeligen nicht ausleben können und jetzt gönnt er niemand anderem dieses Glück, ging es Jeannet durch den Kopf. In gewisser Weise hatte sie sogar Mitleid mit ihrem Ersten Offizier. War er nicht viel schlechter dran als sie?
Jeannet hatte schließlich die bislang unwiderlegbare Illusion, dass sie und Lord Cooper sich wiedersehen würden. Die Illusion von irgendeinem, jetzt noch im Nebel liegenden Weg des Schicksals, der sich vor ihnen eröffnen würde.
Ben Rider hingegen hatte sämtliche Hoffnungen auf ein Schicksal, dass es ihm erlaubt, mit der Frau seines Herzens zusammensein zu dürfen, längst begraben müssen. Das war die bittere Realität.
*
Es war um Mitternacht. Der Mond stand hoch und hell als gelbliches Oval am Nachthimmel. Jeannet stand an der Reling der WITCH
BURNING und blickte zum Ufer hinüber. Der Lärm von wilden Feiern und lautstarkem Vergnügen drang zu ihr herüber. Am Strand brannten Lagerfeuer, in den Häusern die
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