Fluch der Nacht: Roman
all das gesehen hatte, machte er Platz, um seine Gefährtin eintreten zu lassen.
»Nicolas.« Mikhail trat vor, um in der traditionellen Begrüßung unter karpatianischen Kriegern Nicolas’ Unterarme zu umfassen. »Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er, ohne sich etwas von der Unruhe anmerken zu lassen, die es ihm verursachen musste, dass Nicolas de la Cruz sich persönlich aus Südamerika herbemüht hatte, um ihm Nachrichten zu überbringen. Dass es keine guten sein konnten, lag also nahe.
»Ich bringe dir Grüße von Zacarias und meinen anderen Brüdern. Ich hoffe, dir und deiner Seelengefährtin geht es gut, Mikhail.«
Der Prinz nickte. »So ist es – auch wenn ich vorhin eine gewisse Unruhe verspürte.«
Nicolas’ Ausdruck veränderte sich nicht, und er wandte auch nicht den Blick ab. Natürlich hatte Mikhail Besorgnis verspürt. Schließlich war Nicolas so nahe daran gewesen, sich zu verwandeln, dass er seiner eigenen Gefährtin fast das Leben genommen hatte. Zum Glück hatte sie ein Messer dabeigehabt und keine Hemmungen, es zu benutzen. Das Blut war von Nicolas’ Hemd verschwunden, aber Mikhail würde er so leicht nicht täuschen können.
Nicolas wandte sich an seine Seelengefährtin, die er soeben erst gefunden hatte. »Mikhail Dubrinsky ist der Prinz des karpatianischen Volkes«, informierte er sie, bevor er sich wieder an den Prinzen wandte. »Mikhail, das ist avio päläfertiil «, sagte er in besitzergreifendem Ton und legte eine Hand auf Laras Rücken.
Mikhail machte eine angedeutete Verbeugung vor ihr. »Ich bin sehr erfreut, deine Gefährtin kennenzulernen, Nicolas, aber sie wird doch einen Namen haben?«
»Einen Namen?« Zum ersten Mal sah Nicolas ganz ratlos aus.
»Sie hat doch einen Namen?«, fragte Mikhail sichtlich amüsiert.
Nicolas blickte auf das glänzende rote Haar und die funkelnden grünen Augen der Frau neben sich herab. »Wie heißt du?«
»Du hast uns aneinander gebunden und kennst nicht einmal meinen Namen«, spöttelte sie und versuchte, den Geruch nach fauligem, verdorbenem Blut zu ignorieren, der in der Luft hing. »Du bist total verrückt, weißt du. Ich heiße Lara. Lara Calladine. Und du?« Ihr Herz schlug viel zu schnell und hart, weil ihr tief im Innersten nur allzu gut bewusst war, dass ihr Leben sich unwiederbringlich verändert hatte. Sie durfte nur noch nicht daran denken, musste ruhig Blut bewahren, bis sie Zeit hatte, das Geschehene zu verarbeiten und zu überlegen, was sie dagegen unternehmen konnte.
Das Lächeln, das sich nur langsam auf seinen Zügen ausbreitete, ließ sie fast dahinschmelzen, was aber eine willkommene Ablenkung in diesem Zimmer war, das ihr irgendwie »verdorben« vorkam.
»Nicolas de la Cruz.«
»Und du bist Karpatianer.« Sie versuchte nicht einmal, es wie eine Frage klingen zu lassen, als sie von einem Mann zum anderen blickte. »Ihr beide seid es.« Es war nicht leicht, Smalltalk zu halten, wenn sie vor Kälte zitterte, völlig desorientiert war und ihr Magen revoltierte.
»Wie du«, gab Nicolas zurück.
Lara schüttelte den Kopf. »Ich bin es nur zu einem Teil.«
Eine seiner Augenbrauen fuhr in die Höhe. »Du entstammst dem Geschlecht der Drachensucher. Niemand könnte deine Gesichtszüge oder Augen für irgendetwas anderes halten.«
Ihr Herz schlug höher. »Dann kennst du meine Tanten? Hast du Neuigkeiten von ihnen?«
Angesichts der verblüffenden Freude und Hoffnung, die auf ihrem Gesicht erschienen, hätte Nicolas ihr gern gute Nachrichten überbracht. »Tut mir leid, päläfertiil, doch ich kenne nur Dominic, der ein reinblütiger Nachfahre der Drachensucher-Linie ist. Es gibt allerdings noch zwei Frauen, Natalya, die Vikirnoffs Gefährtin ist, und Colby, die Frau meines Bruders, die Drachensucher-Blut in ihren Adern haben. Es ist ein großartiges Geschlecht und eines der angesehensten in unserer Geschichte.«
Lara sah Mikhail an. »Hast du etwas von meinen Tanten gehört?«
Der Prinz der Karpatianer schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, von welchen Tanten du sprichst. Es gibt keine reinblütigen Frauen in der Familie der Drachensucher. Rhiannon war die letzte, und sie ist für uns verloren. Wie seid ihr verwandt?«
Lara öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie war zum Teil Magierin und kannte die Geschichte Rhiannons, der letzten Tochter des Geschlechts der Drachensucher. Rhiannon war die Seelengefährtin eines großen Kriegers gewesen, der von Xavier, dem höchsten aller Magier, ermordet
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