Fluch, Der: Roman
Angst.«
»Enkelt, Mnmma«, warnte Heilig sie jetzt etwas freundlicher.
»Ich muß noch mit einigen anderen Leuten hier reden«, sagte Ginelli. »Vielleicht könnten Sie mir zeigen, wo sie sind.« Er betrachtete suchend eine leere Seite in seinem Notizbuch. »Einen Mr. Taduz Lemke und eine Mrs. Angelina Lemke.«
»Taduz schläft da drinnen«, antwortete Heilig und deutete auf den Einhornlaster. Das, fand Ginelli, war nun wirklich mal 'ne gute Nachricht, wenn es stimmte. »Er ist schon ein uralter Mann, und die ganze Aufregung hat ihn doch sehr ermüdet. Ich glaube, Gina ist in ihrem Wohnwagen da drüben – aber sie ist noch keine Missus.«
Er zeigte mit seinem schmutzigen Zeigefinger auf einen kleinen grünen Toyota mit einem netten, kleinen Holzaufbau auf dem Heck.
»Nochmals vielen Dank.« Ginelli klappte sein Notizbuch zu und steckte es in seine hintere Hosentasche.
Heilig zog sich erleichtert in seinen Wohnwagen (und zu seiner Flasche) zurück.
Im dämmernden Abendrot ging Ginelli noch einmal durch den inneren Kreis, diesmal zum Wohnwagen des Mädchens.
Sein Herz schlug, wie er Billy gestand, schnell und heftig.
Er atmete tief durch und klopfte an die Tür.
Es kam nicht gleich eine Antwort, und er hatte die Hand schon zum zweiten Klopfen erhoben, als plötzlich die Tür geöffnet wurde. William hatte ihm zwar gesagt, daß sie schön sei, aber auf das Ausmaß ihrer Schönheit war er nicht vorbereitet gewesen – diese dunklen, offen blickenden Augen, deren Hornhaut so weiß war, daß sie andeutungsweise ins bläuliche überging, ihre olivbraune Haut, die rosig schimmerte. Erblickte kurz auf ihre Hände und sah, daß sie sehnig und kräftig waren.
Die Nägel waren nicht lackiert, sauber und so kurz geschnitten wie bei einem Bauern. In einer dieser Hände hielt sie ein Buch über statistische Soziologie.
»Ja?«
»Spezialagent Stoner, Miß Lemke«, stellte er sich vor, und sofort verdunkelte sich das klare, helle Leuchten ihrer Augen, als wäre ein Vorhang darüber gefallen. »FBI.«
»Ja?« fragte sie nochmals, aber jetzt war nicht mehr Leben in ihrer Stimme als in einem Telefonanrufbeantworter.
»Wir untersuchen den gestrigen nächtlichen Vorfall. Hier hat es eine Schießerei gegeben.«
»Sie und die halbe Welt«, sagte sie lakonisch. »Na, meinetwegen, untersuchen Sie, aber wenn ich meine Fernstu-diumslektion nicht bis morgen früh im Briefkasten habe, werden mir wegen Verspätung Punkte abgezogen. Wenn Sie mich also entschuldigen wollen ...«
»Wir haben Gründe zu vermuten, daß ein Mann namens William Halleck runter der Sache stecken könnte«, fiel Ginelli ein. »Sagt Ihnen der Name etwas?« Selbstverständlich sagte ihr der Name etwas. Ihre Augen weiteten sich für einen Moment und funkelten dann nur noch. Ginelli hatte sie für unglaublich schön gehalten. Das tat er immer noch, aber jetzt glaubte er auch, daß dieses Mädchen tatsächlich Frank Spurton getötet haben konnte.
»Dieses Schweinl« Sie spuckte auf den Boden. »Han satte sig pa en av stolarna! Han sneglade pa nytt mot hyllorna i vild!
Vildl«
»Ich habe ein paar Fotos von dem Mann, den wir für William Halleck halten«, sagte Ginelli sanft. »Sie sind von einem unserer Agenten mit einem Teleobjektiv in Bar Harbor aufgenommen worden, und ...«
»Natürlich ist es Halleck!« sagte sie. »Dieses Schwein hat meine tantenyjad – meine Großmutter - umgebracht! Aber er wird uns nicht mehr lange belästigen. Er ...« Sie biß sich auf die volle Unterlippe, um ihre Worte bei sich zu behalten.
Wäre Ginelli wirklich der Mann gewesen, für den er sich ausgab, hätte sie sich jetzt schon ein ausgiebiges, detailliertes Verhör dafür eingehandelt. Er tat jedoch so, als hätte er es überhört.
»Auf einer der Fotografien scheint Halleck einem anderen Mann Geld zu geben. Wenn Sie ihn tatsächlich als Halleck identifizieren können, dann ist der andere vermutlich der Schütze, der Sie gestern nacht hier aufgesucht hat. Ich hätte gern, daß Sie und Ihr Großvater sich die Bilder ansehen, um mir, wenn Sie können, mit Bestimmtheit zu sagen, ob der Mann wirklich Halleck ist.«
»Er ist mein Urgroßvater«, sagte sie zerstreut. »Ich glaube, er schläft gerade. Mein Bruder ist bei ihm. Ich würde ihn nur ungern wecken.« Sie schwieg einen Augenblick. »Nein, ich würde ihn lieber in Ruhe lassen. Es würde ihn nur aufregen. Die letzten Tage sind sehr anstrengend für ihn gewesen.«
»Dann schlage ich folgendes vor«, sagte Ginelli.
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