Fluch, Der: Roman
zurückhaltend.
Himmelherrgott, du blöde Gans! Du bist mit dem unglaublich zusammenschrumpfenden Mann verheiratet, und alles, was dir dazu einfällt, ist, mich zu fragen, ob mit mir alles in Ordnung ist!
»Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Warum?«
»Weil du gerade ... Du hast einen Augenblick lang ganz komisch ausgesehen.«
So, habe ich das? Habe ich das wirklich? Warum gerade an dem Tag, Heidi? Warum hast du dir gerade den Tag ausgesucht, um deine Finger in meine Hose zu stecken? Nach all den Jahren der Prüderie, nach all diesem Immer-nur-im-Dunkeln-Herumfum-meln?
»Ich glaube, ich fühle mich jetzt die ganzen Tage über immer ein bißchen komisch«, sagte er und wies sich im stillen zurecht: Du mußt damit aufhören, mein freund. Es hat keinen Sinn. Was geschehen ist, ist geschehen.
Aber das war gar nicht so leicht. Besonders dann nicht, wenn sie so wie jetzt vor ihm stand, eine Zigarette nach der anderen rauchte und dabei vollkommen gesund und munter wirkte, und wenn...
Aber du mußt damit aufhören, Billy! Hilfe!
Heidi wandte sich von ihm ab und drückte ihre Zigarette in einem Kristallaschenbecher aus.
»Und die zweite Sache ist die, daß du mir etwas verheimlichst, Billy. Etwas, das mit dieser Geschichte zu tun hat. Du redest manchmal im Schlaf. Und die letzten Nächte bist du lange unterwegs gewesen. Ich will es jetzt wissen. Ich habe ein Recht darauf, daß du mit mir darüber sprichst.« Sie fing an zu weinen.
»Du willst es wissen?« fragte Billy. »Du willst es wirklich wissen?« Er spürte, wie sich ein hämisches Grinsen über sein Gesicht ausbreitete.
»Ja! Ja!«
Also erzählte Billy es ihr.
Am nächsten Tag rief Houston ihn an. Nach einem langen, nichtssagenden Prolog kam er endlich zur Sache. Heidi sei bei ihm. Er und sie hätten sich ausführlich miteinander unterhalten. (Halleck wollte ihn schon danach fragen, ob er auch ihr ein Löffelchen voll weißen Schnees angeboten habe, unterließ es dann aber lieber.) Im Grunde lief der Monolog darauf hinaus: Beide hielten ihn für total verrückt.
»Mike«, antwortete Billy ruhig. »Der alte Zigeuner ist real! Er hat uns alle drei angefaßt: Cary Rossington, Duncan Hopley und mich. Klar, ein Mann wie Sie glaubt natürlich nicht an das Übernatürliche, das verstehe ich - aber Sie werden an induktive und deduktive Schlußfolgerungen glauben, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Also müssen Sie auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen: Alle drei sind wir von ihm angefaßt worden, und jetzt haben wir alle drei eine mysteriöse, ganz üble Krankheit. Bevor Sie also davon ausgehen, daß ich verrückt sei, sollten Sie wenigstens mal den logischen Zusammenhang ins Auge fassen.«
»Billy. Es gibt keinen Zusammenhang.«
»Ich habe nur...«
»Ich habe mit Leda Rossington gesprochen. Und sie hat mir erzählt, daß Cary sich in der Mayo-Klinik befindet und dort auf Hautkrebs behandelt würde. Sie meinte, daß der Krebs zwar schon ziemlich weit fortgeschritten wäre, die Ärzte aber sicher wären, daß sie Cary bald wieder hinkriegen würden. Außerdem hat sie mir noch gesagt, daß sie Sie seit der Weihnachtsparty bei den Gordons nicht mehr gesehen hätte.«
»Sie lügt.«
Houston schwieg ... und dieses Geräusch im Hintergrund? War das etwa Heidi, die da weinte? Billys Hand krallte sich um den Hörer, bis seine Fingerknöchel weiß wurden.
»Haben Sie sie persönlich oder bloß am Telefon gesprochen?«
»Am Telefon. Aber ich sehe nicht, welchen Unterschied das machen sollte.«
»Wenn Sie sie gesehen hätten, würden Sie's wissen. Sie sieht aus wie eine Frau, die zu Tode erschreckt worden ist.«
»Hören Sie, wenn sie gerade erfahren hat, daß ihr Mann an Hautkrebs leidet und daß der Krebs schon ein gefährliches Stadium erreicht hat?!«
»Haben Sie mit Cary gesprochen?«
»Cary liegt auf der Intensivstation. Leute, die auf der Intensivstation liegen, dürfen nur unter extremen Umständen Anrufe entgegennehmen.«
»Mein Gewicht beträgt nur noch einhundertundsiebzig Pfund«, sagte Billy. »Das ist ein Nettoverlust von dreiundachtzig Pfund. Ich würde das schon ziemlich extrem nennen.«
Schweigen am anderen Ende, abgesehen von dem Geräusch, das sich wie Heidis Weinen anhörte.
»Werden Sie mit ihm sprechen? Wollen Sie es versuchen?«
»Wenn seine Ärzte ihm einen Anruf erlauben, und wenn er sich bereit erklärt, mit mir zu sprechen, dann ja. Aber, Billy, Ihre Halluzination da...«
»DAS IST KEINE HALLUZINATION!«
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