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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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dämmerte.
    Dann sah Soledad wieder Lucy an.
    Lucy nickte. » Ja, es ist Mirandas Tagebuch aus der Zeit, als sie mit mir schwanger war. Und einen Teil hat sie geschrieben, als sie hier bei euch wohnte.« Sie sank auf einen Küchenstuhl.
    Leo zog sich einen Stuhl heran. » Du sagtest, Zach hat es gefunden?«
    » Ja. Aber er hat es nicht gelesen. Ich hab es heute gelesen, nachdem er es mir gegeben hatte. Deshalb wollte ich allein sein.«
    Leos und Soledads Lippen formten sich zu einem identischen » Oh«, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten.
    Auch Soledad setzte sich. Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und biss sich auf die Unterlippe. » Was steht in dem Tagebuch, Lucy? Willst du es mir sagen?«
    » Du hast nie darin gelesen, als Miranda hier gewohnt und alles aufgeschrieben hat?«
    Soledad schüttelte den Kopf. » Ich wusste zwar, dass sie Tagebuch führte, aber ich respektierte ihre Privatsphäre. Und als sie am Tag nach deiner Geburt verschwand, nahm sie das Tagebuch mit. Seitdem hab ich es nicht mehr gesehen«, sagte sie mit einem raschen Blick auf das lila Buch.
    Lucy dachte an die verrückteren Passagen in dem Tagebuch. Hatte Miranda ihre Elfen-Fantasien sogar vor den Menschen geheim gehalten, die sie aufgenommen hatten? Wahrscheinlich, obwohl sie Leo ihre Version von » Scarborough Fair« beibrachte, die anscheinend irgendetwas mit ihrer Geisteskrankheit zu tun hatte.
    Lucy fielen die herausgerissenen Seiten des Tagebuchs ein. Wo waren sie geblieben? Was hatte darauf gestanden?
    Ihre Eltern beobachteten sie.
    » Miranda schreibt in dem Tagebuch, dass sie euch liebt. Euch beide, aber vor allem Soledad. Sie wünschte, dass du ihre Schwester wärst«, sagte Lucy mit Blick auf ihre Mutter.
    Soledads Augenlider zuckten und sie schloss sie für einen Moment. » Ich werde nie vergessen, wie ich sie zum ersten Mal sah. Sie kam in die Beratungsstelle wie ein halb verhungertes wildes Tier, das erwartet, davongejagt zu werden. Sie war so herzzerreißend jung. Fast im selben Alter wie du jetzt, Lucy. Ich konnte es nicht ertragen. Seitdem hab ich viel erlebt, aber der Ausdruck in Mirandas Augen– bis heute hab ich niemanden mit einem derart gequälten Blick getroffen. Und diesen Blick hat sie immer noch, nur sieht sie jetzt noch schmaler, noch verzweifelter und niedergeschlagener aus. Und wenn ich daran denke, wie stolz ich damals war, dass ich ihr helfen konnte. Ich– ich bin selbst erstaunt über meine Arroganz, und ich– Lucy? Lucy, bist du okay?«
    Lucy hatte sich plötzlich weit nach vorn gebeugt und richtete sich jetzt langsam wieder auf. » Ja. Mir war nur in letzter Zeit oft schlecht. Es war einfach alles zu viel.«
    » Das kannst du laut sagen«, murmelte Leo. » Und da machst du uns Vorwürfe, weil wir uns Sorgen machen?«
    Lucy atmete noch einmal tief ein und aus. » Mirandas Tagebuch ist ein einziges Durcheinander«, erklärte sie ganz offen. » Manchmal ergibt es Sinn und manchmal nicht. Ich werde es euch später zeigen.« Aber noch während sie das sagte, kamen ihr Zweifel, und ihre Äußerung klang eher wie eine Frage. Sie war nicht sicher, ob sie Miranda derart bloßstellen wollte, obwohl ihre Eltern schon so viel über sie wussten. In gewisser Hinsicht sogar mehr, als Lucy je wissen würde.
    » Du musst es uns nicht zeigen, wenn du nicht willst«, sagte Leo prompt.
    Soledad schwieg, aber Lucy spürte ihren scharfen Blick. Sie wusste genau, dass Soledad das Tagebuch lesen wollte. Sie musste ihrer Mutter etwas darüber sagen und wählte ihre Worte mit Bedacht. » In dem Tagebuch steht nichts über meinen Vater. Miranda kannte nicht mal seinen Namen. Seit sie ein Baby war, lebte sie bei Pflegeeltern. Sie erwähnt diese nie namentlich. Die letzte Familie, bei der sie lebte, bevor sie schwanger wurde, nennt sie nur SIE.«
    Leo nickte. » Das passt. Miranda hat nie über ihre Familie gesprochen, und als wir nachhakten, sagte sie, sie habe keine. Stimmt’s, Soledad?«
    Soledad wirkte erschöpft. » Ja. Aber ich dachte, sie hätte vielleicht irgendwo eine Familie, über die sie nicht sprechen wollte. Ich dachte, sie würde bei uns bleiben und wir würden mit der Zeit alles herausfinden.«
    » Sie schreibt, dass sie keine Familie hat«, fuhr Lucy fort. » Dass sie als Baby von ihrer Mutter im Krankenhaus zurückgelassen wurde. So wie sie mich zurückgelassen hat«, fügte sie hinzu. Ihr wurde wieder übel. Aber diesmal blieb sie aufrecht sitzen und versuchte, es zu verbergen.
    Erneut reagierte Leo auf

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