Fluch von Scarborough Fair
vorhandenen Informationen.
Zunächst einmal hatte Soledad völlig vergessen, dass er kommen wollte. Padraig hatte keine Ahnung warum. Vor Kurzem musste etwas geschehen sein, weshalb sie nicht mehr an die Verabredung gedacht hatte.
Das war ärgerlich– er hatte sich schon darauf gefreut, Lucinda wiederzusehen–, aber er musste es hinnehmen. Padraigs magischen Fähigkeiten waren Grenzen gesetzt, wenn er unter Menschen war, und normalerweise fiel es ihm nicht schwer, diese Grenzen zu akzeptieren, denn seine Macht und sein Einfluss auf ihren schwachen Verstand waren dennoch mehr als ausreichend. Soledad und Leo Markowitz hatten sich allerdings als unerwartete Herausforderung erwiesen. Immer wenn Padraig nicht anwesend war, hatte die Liebe zu ihrer Pflegetochter wieder Vorrang. Er wusste zum Beispiel, dass sie Lucinda bei der Aufgabe mit dem nahtlosen Hemd tatkräftig unterstützten. Dieser dumme Junge Greenfield schien auch dabei mitzumachen. Padraig würde sich um ihn kümmern müssen. Das hätte er schon früher tun sollen. Dieser Junge musste wieder zurück aufs College, wo er hingehörte.
Aber eigentlich hatte er gar keine Lust, sich in die Unternehmungen der Familie Markowitz einzumischen, abgesehen davon, dass Soledad ihn über alles, was sie taten, informierte. Für ihn war es einfach sehr unterhaltsam, sie hin und her huschen zu sehen und die ganze Zeit über Bescheid zu wissen. Denn dieses Spiel– wie er den Fluch gern nannte– konnte Lucinda Scarborough unmöglich gewinnen. Er wusste das, weil er es selbst vor Jahrhunderten in Schottland in Gang gesetzt hatte, und keines der Scarborough-Mädchen hatte bislang auch nur annähernd die erste Aufgabe erfüllt.
Obwohl ihm die Erinnerung heute schwerfiel, hatte er sich vor langer Zeit sehr um die eigensinnige, hübsche und respektlose Fenella bemüht. Doch sie hatte nicht begriffen, welche Ehre ihr damit zuteil wurde. Stattdessen hatte sie erklärt, sie wolle ein ganz normales Leben führen und Kinder haben. Fenella hatte es sogar gewagt, sich in einen Amerikaner zu verlieben und von ihm ein Kind, eine Tochter, zu bekommen.
Nun, Fenella hatte ihre Entscheidung bereut, als sie begriff, was das für ihre ach so kostbare Tochter und alle künftigen Scarborough-Töchter bedeutete. Keine dieser Töchter hatte sich ihren Geliebten, den Vater ihrer Tochter, aussuchen dürfen, wie noch Fenella. Padraig hatte die Männer für sie ausgewählt und sich dabei köstlich amüsiert.
Nein, Fenella hatte seine Macht und ihr Glück, sein Interesse geweckt zu haben, nicht richtig zu schätzen gewusst, bis er sie dazu gezwungen hatte.
Lucinda erinnerte ihn ein wenig an Fenella Scarborough. Es würde bestimmt großen Spaß machen, sie zu vernichten, nachdem sie sich vergeblich bemüht hatte, die drei Bedingungen des Spiels zu erfüllen. Vielleicht würde das Ganze fast ebenso interessant werden wie sein erster Sieg über Fenella.
In gewisser Weise war es zu ärgerlich, dass er warten musste, aber so lauteten nun mal die Spielregeln. Er konnte Lucinda jetzt nichts tun. Aber bald würde ihre Freiheit ein Ende haben. Und dann, eines Tages, würde sie, dem Wahnsinn verfallen, ihrer eigenen Tochter das Scarborough-Lied vorsingen– so lieblich und sanft, wie es immer geschah.
Padraig ging ein paar Schritte auf das Haus zu und sog stirnrunzelnd die Luft ein. Er nahm einen unerwarteten Hauch von Magie innerhalb des Hauses wahr, und das machte ihn stutzig. Wer auch immer diesen Zauber bewirkt hatte, hatte es erst vor Kurzem getan. Diese Person war nicht annähernd so geschickt oder mächtig wie er, und er musste sich das Ganze aus der Nähe ansehen, um genau erkennen zu können, was geschehen war und wer dahinter steckte. Das Einzige, was er bis jetzt wahrnahm, war der eindeutige Duft des Erfolgs.
Für einen Moment war er verwirrt, aber dann packte ihn die Neugier. Musste er sich etwa noch ein kleines Gefecht liefern, bevor er unweigerlich gewann? Er lächelte. Das wäre ziemlich amüsant. Vielleicht gab Soledad der Sache ein anderes Gesicht, indem sie eine Art schützenden Liebeszauber bewirkte, auf den viele Menschen– vor allem Frauen– noch unbewusst Zugriff hatten. Noch nie zuvor hatte ein Scarborough-Mädchen eine Mutter gehabt, die ihm half, und er hatte sich gefragt, ob Soledads Gegenwart diesen speziellen Sieg noch interessanter machen würde als sonst.
Ja, Lucinda war vielleicht seit Generationen das begabteste Mädchen aus der Familie Scarborough.
Padraig ging zur
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