Flucht aus dem Harem
will ein Bad, er soll uns unbedingt die zweihundert Pfund aushändigen, damit wir uns darum kümmern können.“
Justin ging zurück zu Meister Ingram, der mit verschränkten Armen hinter dem Ladentisch wartete.
„Wir sind einverstanden. Wenn Sie uns die zweihundert Pfund sofort auszahlen und uns einen sicheren Aufbewahrungsort für das Etui bis morgen früh garantieren können.“
„Natürlich kann ich das. Ich bin schließlich ein Ehrenmann“, erwiderte der Händler mit spürbarer Entrüstung. „Hier wird man nicht alt, wenn man mit gezinkten Karten spielt.“ Er verschwand wieder im Hinterzimmer, und als er zurückkehrte hielt er einen Stapel Geldscheine in den Händen. Feinsäuberlich zählte er den vereinbarten Betrag auf den Ladentisch. „Zweihundert. Wie abgemacht.“ Meister Ingram hielt Justin ein Buch hin, in das er die Summe eingetragen hatte und forderte ihn auf den Betrag zu quittieren. „Ich verzichte darauf, eines der Stücke als Sicherheit zu nehmen. Ich erkenne Betrüger, wenn ich sie sehe. Und Sie gehören nicht dazu, Mr. Grenville.“ Ingram reichte Justin das Etui und eilte zur Eingangstür, die er schwungvoll öffnete. „Gehen wir.“
Das latente Misstrauen seiner Kunden schien den alten Mann tatsächlich zu bekümmern, den er betonte ein ums andere Mal, dass er den Laden seit dem Tod seines Vater betrieb, der ihn seinerseits fast fünfzig Jahre geführt hatte.
Leila und Justin folgten ihm durch die verwinkelten Gassen bis zu einem Haus, das sich äußerlich nicht von all den anderen Steinbauten unterschied. Er schob einen riesigen Schlüssel in das Schloss des mit Schmiedeeisen beschlagenen Haustores und öffnete es schwungvoll.
Sie traten in einen Innenhof, und Leila sah sich beeindruckt um. Nach arabischem Vorbild sprudelte in der Mitte ein Brunnen, und ein Arkadengang rahmte den Platz ein. Meister Ingram führte sie in einen Vorraum. Sofort eilte ein junges Mädchen herbei.
„Keira, wir haben Gäste. Mylord …“ Er schien die Namen seiner Besucher vergessen zu haben, der er blickte die beiden hilfesuchend an.
„Grenville“, beeilte sich Justin zu sagen, ehe Leila reagieren konnte. „Mr. und Mrs. Grenville“
„Ich möchte, dass du Mr. und Mrs. Grenville unsere Gästezimmer zeigst; sie sollen sich das aussuchen, was ihnen am besten gefällt.“ Er verbeugte sich überschwänglich. „Mylord, Mylady, Keira wird sich um alles kümmern, ich muss zurück in den Laden, wir sehen uns beim Abendessen. Ich freue mich.“
Verdattert blickten Leila und Justin dem Alten nach, wie er davonstapfte.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden.“ Die Stimme des Mädchens holte sie zurück in die Wirklichkeit. Über eine kunstvoll geschnitzte Treppe erreichten sie das Obergeschoss. Überall lagen dicke Teppiche mit farbenprächtigen Mustern. Die glanzvolle Einrichtung erinnerte Leila an den Palast des Paschas, und sie unterdrückte ein Schaudern.
Die Zimmer, die Keira ihnen zeigte, zeichneten sich durch atemberaubende Kostbarkeit aus. Mannshohe Vasen, Elfenbeintruhen, Leuchter mit armdicken Kerzen und Sitzkissen aus Seide in allen Regenbogenfarben. Das Himmelbett, das den Raum dominierte, besaß gigantische Ausmaße.
Sie entschieden sich für das erste Zimmer, das Keira ihnen gezeigt hatte. Leila zog den Schleier vom Gesicht und wandte sich an das Mädchen: „Kannst du uns eine Badestube oder einen Hamam hier der Nähe nennen?“
Keira blickte verständnislos von Leila zu Justin. „Aber wir haben ein Bad im Haus. Es steht selbstverständlich zu Ihrer Verfügung.“
„Das ist eine gute Nachricht. Wir werden das Angebot gerne in Anspruch nehmen“, sagte Justin. „Lass bitte alles vorbereiten.“
Keira neigte den Kopf. „Kann ich sonst noch etwas tun?“
„Danke, das wäre alles.“ Justin lächelte das Mädchen an und ging zum Fenster.
Doch Leila hatte noch etwas auf dem Herzen „Ich brauche Kleider, gibt es vielleicht einen Händler oder eine Schneiderin, die bereit wären, vorbeizukommen?“, fragte sie das Mädchen und öffnete ihren Mantel.
Keira ließ ihren Blick über das Hemd, die Hose und die in Auflösung begriffenen Schuhe wandern. „Und auch einen Schuster“, warf sie ein.
„Das wäre natürlich wunderbar.“
„Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Das Mädchen verbeugte sich und verließ das Zimmer.
Leila streifte die Schuhe ab. Erst jetzt fiel ihr ein, dass es die Höflichkeit erfordert hätte, die Schuhe bereits in der Eingangshalle auszuziehen.
Sie ging zu Justin und schaute
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