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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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„Wünschen Sie eine Rasur oder …“
„Nein, ich danke dir. Und von jetzt an komme ich alleine zurecht.“ Er lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, doch die Mühe hätte er sich sparen können, denn Yasmins Miene blieb ausdruckslos. Als sie antwortete, hielt sie ihre Augen fest auf Justins Gesicht gerichtet und ignorierte den Rest seines Körpers.
„Wie Sie wünschen. Meister Ingram hat frische Kleider für Sie bereitlegen lassen. Diese hier werden gewaschen. Sie können sie morgen wiederhaben.“
Justin nickte und ging hinüber in den anderen Raum. Er ließ sich in das Becken mit dem warmen Wasser gleiten und schloss die Augen.
Kapitän Harris hatte ihm gesagt, dass sie London in zehn, spätestens zwölf Tagen erreichen würden. Es galt also zu überlegen, was er nach seiner Ankunft als Erstes tun sollte. Natürlich wusste er, wo seine Familie – oder das, was davon übrig war – lebte. Ob er jedoch geradewegs in das Haus am Alden Square 12 marschieren und alle mit seiner Anwesenheit konfrontieren sollte, war eine andere Frage. Aufgrund des Überraschungseffekts mochte es ihm vielleicht gelingen, endlich die Antworten zu bekommen, die er haben wollte. Wenn er dagegen zunächst in einem Hotel Quartier nahm und über Mittelsmänner Erkundigungen einholte, hätte er seiner Verwandtschaft gegenüber einen unbestreitbaren Vorteil. Mit dem Geld von Meister Ingram könnte er sich eine solche Vorgehensweise erlauben. Auch Leila, die es ganz sicher ablehnen würde, ihn zu seiner Familie zu begleiten, wäre vielleicht zu einem Aufenthalt in einem Hotel zu überreden. Immerhin musste sie sich an die Sitten ihrer neuen Heimat erst gewöhnen, sie benötigte Kleider, sie musste die Sprache erlernen. Sie brauchte Zeit und Ruhe, um sich überlegen, was sie mit ihrem neuen Leben anfangen wollte, jetzt, da sie frei war. Und natürlich würde er ihr seine Hilfe anbieten. Ob Leila sie annahm, stand freilich auf einem anderen Blatt.
Justin seufzte und blickte zu der Kuppel, die sich über ihm wölbte. Kleine bunte Glassteine verwandelten das einfallende Licht in unzählige Regenbögen. Aber im Augenblick war er für derartige Schönheit blind. Egal, woran er dachte, immer stahl sich Leila in seine Überlegungen und beanspruchte einen Platz. Wenn sie sich weniger abweisend gegenüber seinen Zukunftsplänen gezeigt hätte, wäre er über diese Entwicklung alles andere als unglücklich gewesen. Aber wie die Dinge nun einmal standen, war es wohl für sie beide das Beste, sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Wenn er nur wüsste, wie.
Yasmin begann, die an den Wänden angebrachten Öllampen und die im Raum verteilten Kerzenleuchter zu entzünden. Sie hatte den nassen Kaftan gegen einen trockenen getauscht und bewegte sich mit der Anmut einer Elfe. Um ihre Knöchel wanden sich zierliche Silberkettchen, wie er feststellte, als sie knapp an ihm vorbeiging. Trotzdem ließ ihn ihr Anblick kalt. Er reagierte einfach nicht auf sie. Einerseits war er erleichtert, aber je länger er nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er alles andere als erleichtert darüber sein sollte.
Justin schaute zu dem anderen Becken hinüber, das mit kaltem Wasser gefüllt war und beschloss, dass es Zeit für eine Abkühlung war, um die beginnende Schläfrigkeit samt aller auftauchenden Gehirngespinste zu vertreiben.
Nachdem er damit fertig war und aus dem Becken stieg, wartete Yasmin bereits mit einem angewärmten Tuch auf ihn. Sie wickelte ihn darin ein und führte ihn zu einer geflochtenen Bastmatte, neben der ein irdenes Gefäß mit einem langstieligen Kännchen aus Kupfer stand.
„Bitte legen Sie sich hin. Ich werde Sie massieren“, kündigte Yasmin so sachlich an, als informiere sie ihn über die Speisenfolge fürs Abendessen.
Justins Blick blieb an der mit schimmernden Flüssigkeit gefüllten Schale hängen. Das musste das warme Öl sein, von dem Leila gesprochen hatte. Er sah Yasmin an, die stoisch und ohne Gefühlsregung vor ihm stand und darauf wartete, dass er tat, was sie gesagt hatte.
Das Tuch glitt von seinem Körper, dann streckte er sich bäuchlings auf der Matte aus und verschränkte die Arme unter seinem Kinn. Die Vorfreude auf diese neue Erfahrung wurde nur durch die Tatsache getrübt, dass es nicht Leila war, mit der er sie teilen konnte.
Hände berührten seinen Nacken und strichen in kleinen Kreisen in Richtung seiner Schultern. Das Öl verlieh der Berührung eine fließende Geschmeidigkeit, die er niemals zuvor erfahren

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