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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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holte. „Ich habe etwas zum Verkauf anzubieten“, begann er ohne Umschweife und schob das Futteral seinem Gegenüber zu.
Der Händler ließ seinen Blick abschätzend über Justins Kleidung und die schmucklosen Finger wandern. Erst dann griff er nach dem Etui und öffnete es. Sein Gesicht verriet keine Regung.
Er reihte die einzelnen Stücke vor sich auf dem Tisch auf. Drehte und wendete sie schweigend und befestigte schließlich wieder das Vergrößerungsglas vor seinem Auge, um die Teile noch einmal von allen Seiten zu betrachten. Die Stille im Raum ließ Leilas Nerven flattern.
„Es scheint tatsächlich so, als ob diese Teile aus massivem Gold gefertigt sind“, sagte er schließlich. „Ich werde sie noch einer letzten Prüfung unterziehen.“
Er verschwand in einem Hinterzimmer und kehrte mit einem kleinen braunen Fläschchen zurück. Aus einer Lade holte er eine Pipette. Dann nahm er den Rasierpinsel und ließ einen Tropfen der in dem Fläschchen befindlichen Flüssigkeit auf den goldenen Fuß fallen.
Drei Augenpaare blickten auf die funkelnde Träne, aber nichts passierte. Leila nahm an, dass Justin ebenso wie sie selbst keine Ahnung hatte, was das alles bedeuten sollte.
Meister Ingram legte das Vergrößerungsglas beiseite und wischte den Tropfen mit einem weichen Lappen ab. Dann deponierte er die Gegenstände wieder sorgfältig im Etui.
„Was möchten Sie dafür haben?“ Seine Stimme klang kühl und ließ keine Rückschlüsse auf seine Meinung zu.
„Also ist es wirklich Gold?“, platzte Leila heraus.
„Ja“, antwortete Meister Ingram knapp. „Sonst würde ich Sie nicht fragen, was Sie dafür haben wollen.“
Leila blickte Justin an, der ebenso ahnungslos zu sein schien wie sie selbst. „Wie lautet denn Ihr Angebot?“
Der Mann seufzte. „Welche Währung bevorzugen Sie? Englische Pfund, französische Francs, osmanische Kurus?“
„Englische Pfund“, antwortete Justin ohne Zögern.
„Gut, ich bin bereit, diese Garnitur um 500 Pfund anzukaufen. Sie können das Geld innerhalb eines Tages haben.“
Justin überlegte. „Ich habe mit wesentlich mehr gerechnet. Mindestens 1000 Pfund.“
Leila hatte Mühe, ihre Aufregung zu verbergen. Er wollte den Preis hochtreiben, aber sie waren auf das Geld angewiesen. Was, wenn ihnen der Händler nun die Tür wies?
„600“, sagte Meister Ingram.
„900“, konterte Justin.
Der Mann kratze seinen Bart, hob das Rasiermesser hoch und entgegnete: „Die Garnitur wurde bereits verwendet, es sind deutliche Gebrauchsspuren vorhanden. Das schmälert natürlich den Wert. Ich biete Ihnen 700. Das ist mein letztes Wort.“
Justin wechselte einen Blick mit Leila, der zu besagen schien, dass man sich hier und jetzt besser für den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach entscheiden sollte. Sie nickte unmerklich.
„Wir nehmen Ihr Angebot an“, sagte Justin nach längerem Schweigen zu dem Händler. „Wir können das Geld doch wohl sofort haben?“
„Ich kann Ihnen zweihundert sofort geben, fünfhundert morgen früh.“ Wieder verriet das Gesicht keine Regung.
Leila merkte, dass Justin die ganze Situation überhaupt nicht behagte. „Wir müssen uns erst ein Quartier für die Nacht suchen. Wenn Sie uns nicht die ganze Summe geben können, dann lassen wir Ihnen nur ein Stück aus der Garnitur hier. Den Rest bringen wir morgen früh mit.“
„Sie brauchen ein Quartier?“, erkundigte sich der Händler interessiert. „Dann seien Sie meine Gäste. Ich habe ein großes Haus, und ich lebe ganz allein. Es wäre mir eine Freude, sie als meine Gäste zu begrüßen, und morgen früh erhalten Sie das Geld. So brauchen Sie sich nicht darum sorgen, dass Ihnen dieses Etui womöglich abhanden kommt.“
„Und Sie haben ebenfalls eine Sorge weniger“, stellte Justin trocken fest.
Der alte Mann lächelte. „Ja, damit ist uns beiden geholfen. Ich esse so ungern alleine zu Abend. Vielleicht möchten Sie mir ja auch die Geschichte dieser wunderschönen Garnitur erzählen.“
Justin machte eine unbestimmte Handbewegung und entfernte sich mit Leila ein paar Schritte von dem Tresen. „Was meinst du? Sollen wir uns darauf einlassen?“
„Er sieht nicht aus wie ein Halsabschneider“, flüsterte Leila. „Natürlich können wir noch andere Händler fragen, aber wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist die Garnitur so wertvoll, dass wohl niemand den gesamten Kaufpreis vorrätig haben wird. Und wenn uns das Etui in einer Herberge gestohlen wird, dann haben wir gar nichts. Aber ich

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