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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Idee.
    Am vierten Morgen sagte er: »Komm schon, Freds, wo ist dieser Ort?«
    »Wir sind fast da. Nur noch ein paar Tage. Doch zuerst müssen wir uns querfeldein um Chhule schlagen.«
    »Was? Warum?«
    »Dort ist der nepalesische Armeeaußenposten. Wie du weißt, dürfen Trekker nicht weiter nördlich wandern. Das ist die Zone, die sie mit den Chinesen vereinbart haben.«
    »Ah. Die nehmen die Sache ernst, was?«
    »Darauf kannst du wetten. Die haben ein ganzes Bataillon in Chhule stationiert, vielleicht hundert Soldaten, um alle bis auf die Einheimischen daran zu hindern, weiter nördlich zu wandern.«
    »Aber was ist mit dieser Straße, über die du dir solche Sorgen machst?«
    »Sie wollen sie bis nach Chhule bauen. Das liegt Shambhala so nahe, daß es fatal für das Tal wäre.«
    »Gut.«
    »Was?«
    »Ich meine, gut, daß wir es nicht mehr so weit haben.«
    »Ja, wir sind fast da.«
    Was beinahe den Tatsachen entsprach. Doch.wenn wir den Trail verlassen mußten, um Chhule zu umgehen, mußten wir querfeldein wandern, und es gibt nichts Schwierigeres, als in den Wäldern des Himalaja querfeldein zu wandern. Das Gelände dort ist naß, steil und dicht mit blutegelverseuchtem Buschwerk bewachsen – es ist eine schrecklich harte Arbeit, in einem Land, das normalerweise den Yetis überlassen bleibt, die sich natürlich darüber freuen. Doch es gibt eine Art Gesims hoch über dem Dorf, das man als Weg benutzen kann, wenn man es findet – die Leute aus Shambhala benutzten es seit der Gründung Chhules, doch sie versuchten, keine Spuren zu hinterlassen, so daß man es in den Wolken und dem Nebel nur schwer ausmachen konnte. Am Spätnachmittag hatten wir uns den Weg durch das Unterholz auf dieses Sims gehackt und sogar eine fast ebene Stelle gefunden, auf der wir unser Nachtlager aufschlagen konnten.
    George ließ sich jedoch weder überzeugen, daß dies eine brauchbare Lagerstätte war, noch, daß wir wirklich auf dem Weg nach Shambhala waren.
    »Was hast du dir vorgestellt?« sagte ich. »Hast du gedacht, es sei leicht, nach Shambhala zu kommen? Es führen keine breiten Autobahnen dorthin. Wir haben soeben das letzte Stück Trail hinter uns gelassen. Der Rest des Weges geht querfeldein.«
    Das stimmte, doch nachdem wir Chhule hinter uns gelassen hatten, konnten wir wieder auf den Talgrund hinabsteigen. Dort marschierten wir augenblicklich in den Schutz eines gewaltigen Rhododendron-Waldes, der gute drei Kilometer des Tals ausfüllte. Da der Monsun dieses Jahr so früh gekommen war, stand der ganze Wald noch in Blüte; jeder Baum war eine Explosion üppiger rosa- oder lavendelfarbiger oder weißer Blüten, jede Blüte war groß und hell und schimmerte feucht. Wir schritten unter einem Dach aus Millionen dieser Wunder einher, während der Nebel zwischen den knorrigen schwarzen Ästen wogte, und der Anblick war so seltsam und beeindruckend, daß sogar George die Klappe hielt und mit aufstehendem Mund marschierte.
    Hinter dem Rhododendron-Wald gerieten wir in das seltsame tropisch-arktische Unterholz, das die Täler des Himalaja in einer Höhe zwischen etwa viertausend bis fünftausend Metern bedeckt. Das ist Gottes Land, wenn Sie mich fragen, Bergwiesen, auf denen Heidekraut wächst, dornige Moosarten, Flechten, kleine Sträucher und Hochgebirgs- und Tundrablumen. Das Tal hier war eindeutig U-förmig, ein Gletscherding mit steilen Felswänden, und wir krochen hinauf wie Ameisen auf dem Boden eines leeren Swimming-Pools. Der Talgrund wurde von zahlreichen silbernen Wasserläufen durchzogen, und als wir neben diesen Gletscherbächen wanderten, konnten wir hören, wie Felsen über ihren Grund rumpelten und die Bäche praktisch umleiteten, während wir zusahen. Und auf beiden Seiten des Tals türmten sich die schneebedeckten steilen Gipfel des Himalaja-Massivs auf, obwohl wir sie auf diesem Trek wegen der Wolken so gut wie nie sahen.
    Wir näherten uns der Grenze zwischen Nepal und Tibet. Im allgemeinen verlaufen die Gebirgszüge von Osten nach Westen, doch es gibt unzählige Ausläufer, alle dermaßen verzogen und verdreht, wie man es nur erwarten kann, wenn ein Kontinent mit hoher Geschwindigkeit unter einen anderen stößt. Die politische Grenze versucht dem Verlauf des Gipfelkamms zu folgen, doch an einigen Stellen bilden die Gebirgszüge praktisch Knoten, und man kann gar nicht mehr so genau erkennen, was eigentlich der ›Kamm‹ ist. In solchen Gegenden wird der Grenzverlauf immer zweifelhaft, und genau an einer dieser

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