Fluchtpunkt Mosel
Staatsanwalt Roth zieht nicht mit.«
»Wie bitte?« Walde erhob sich und ging mit dem Telefon am Ohr in Richtung Tür.
»Am besten, du redest selbst mal mit ihm.«
Walde schloss die Tür hinter sich, als er den Staatsanwalt in der Leitung hatte. »Bock, guten Abend, Herr Roth.«
»Ich habe Ihrem Kollegen Grabbe bereits erklärt, dass mir die Aktenlage im Fall Dr. Zelig zu dünn für die Beantragung eines Durchsuchungsbefehls ist.« Roth sprach in einem Tonfall, der seine felsenfeste Überzeugung unterstrich und vor Gericht sicherlich beeindruckte.
»Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Herr Zelig wurde vom späteren Opfer angerufen. Das allein hat dem Amtsgericht im Fall von Frau Theis und Herrn Frohnen als Begründung ausgereicht.«
»Die beiden haben ja wohl eher ein Motiv als Dr. Zelig.«
»Dieser hat aber zugegeben, direkten Kontakt zum Opfer gehabt zu haben«, sagte Walde.
»Laut Aktenlage fand eine Begegnung letztlich nicht statt.«
»Das behauptet Zelig nach dem Motto, was die Polizei mir beweisen kann, gebe ich zu. Wir vermuten, da steckt mehr dahinter. Die Auswertung der Spuren am Tatort ist noch nicht abgeschlossen.«
»Und Sie meinen, das ist wirklich nötig?«, fragte Roth in einem plötzlich sehr müden Ton.
»Unbedingt!«, beharrte Walde.
»Gut, dann schauen wir mal, ob das Gericht die Sache ebenso sieht.«
»Haben Sie Herrn Frohnen beauftragt, nach Steineberg zu fahren?«, fragte Walde die Witwe, nachdem er in den Vernehmungsraum zurückgekehrt war.
»Hat er das gesagt?«
»Können Sie bitte meine Frage beantworten.«
»Er hat mein Auto geliehen und angedeutet, dass er sich gerne mal in Steineberg umsehen wolle.«
Walde überlegte. Wenn sie ihren Mann von Frohnen hatte umbringen lassen, wäre dieser sicher nicht so ohne weiteres wieder zum Tatort gefahren.
»Ich habe ihm gesagt, dass mir die Kraft dazu fehlt, mich noch mal um den Nachlass zu kümmern.« Sie sprach die nächsten Worte sehr leise. »Und um die Beerdigung.«
»Und Herr Frohnen?«, fragte Gabi.
»Er bot an, sich um den Nachlass zu kümmern. Ich habe ihm den Autoschlüssel gegeben.«
Walde dachte an Quintus. Gewissermaßen gehörte der Hund ebenfalls zur Hinterlassenschaft ihres Mannes. Wahrscheinlich würde sie den Malamute kurzerhand ins Tierheim schaffen.
»Was glauben Sie, warum Ihr Mann seinen Tod inszeniert hat?«, fragte Walde.
Die Frau hob den Kopf und schaute ihn an. Sie wirkte, als würde sie aus ihrer Lethargie erwachen. »Ich habe nach dem Unglück lange darüber gegrübelt, ob er umgekommen wäre, wenn ich bei ihm gewesen wäre …« Sie stockte. »… oder ob es besser gewesen wäre, wenn wir beide bei dem Tsunami … Sie wissen schon.« Sie blickte an Walde vorbei und blinzelte wie jemand, der angestrengt nachdenkt. »Und dann war er auf einmal am Leben.«
»Warum könnte er untergetaucht sein?«, bohrte Walde nach. »Was kann ihn dazu bewogen haben?«
»Ich dachte immer, Aloys wäre glücklich und hätte ein schönes Leben. Aber so richtig kennt man keinen Menschen …«
»Er muss große Schwierigkeiten gehabt haben.«
Sie nickte. »Er hat mir nicht alles erzählt, aber ich denke, es hat mit drüben zusammengehangen.«
»Drüben, meinen Sie seine Arbeit in Erfurt?«, fragte Walde.
»Weniger seine Arbeit. Sie wissen ja bestimmt, was Aloys in seiner Freizeit gemacht hat.«
Walde nickte.
»Ich glaube, er ist da in was reingeschlittert.«
Walde ließ ihr Zeit zum Nachdenken, bevor sie weitersprach. Schweigen war manchmal eine nützliche Verhörtechnik.
»Er hat wenig erzählt. Als er ein paar Wochen in Erfurt war, hat er kaum mehr abends nach der Arbeit angerufen. Dann ist er oft nicht einmal mehr an den Wochenenden nach Hause gekommen.« Die Frau seufzte. »Ich dachte, er hat drüben eine andere und hab ihn zur Rede gestellt.«
Carola Theis’ Gedanken schienen wieder abzudriften.
»Und was hat er gesagt?« Walde blieb nichts anderes übrig, als die Witwe wieder aus ihren Gedanken zu reißen.
»Aloys war ganz bestürzt, dass ich so etwas von ihm denken konnte. Er hat mir erzählt, dass es da drüben so vieles zu finden gibt. Ich glaube, die Funde waren nicht wie hier aus römischer, sondern aus fränkischer Zeit. Er hat erzählt, es käme ihm so vor, wie das hier in Trier zu seinen Jugendzeiten gewesen sei, wo er in trockenen Sommern unter der Römerbrücke die Münzen mit bloßen Händen aus der Mosel geholt hat.«
»Wann ist er nach Erfurt gegangen?«
»Gleich nach der Wende,
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