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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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konnten sich nicht retten. Die meisten stürzten in die Tiefe, und das Dunkel verschluckte sie. Ein Reiter hatte es in halsbrecherischer Geschwindigkeit bis auf die Insel geschafft. Sofort packten die Rebellen ihn, er wurde von der Skada gezerrt und verschwand im Gemenge. Adeen hörte seinen angstvollen Schrei, der plötzlich abbrach, und fröstelte unwillkürlich.
    Er drängte sich zu Talanna durch, die reglos im Gras lag, und rief ihren Namen. Angst ließ ihn heftiger an ihrer Schulter rütteln, als er wollte, aber sie reagierte nicht. Vielleicht hatte sie sich bei dem Sturz den Kopf angeschlagen. Adeen bezweifelte, dass ein Heiler zu Nemiz’ Gruppe gehörte. Vorsichtig drehte er Talanna auf die Seite, so gut er es mit dem unverletzten Arm konnte, und sie ächzte und hob den Kopf. Langsam öffnete sie die Augen. Ihr Gesicht war ein fahler Fleck im Halbdunkel.
    »Verdammte Skada, Mistvieh!«, zischte sie. Erst dann schien sie Adeen zu bemerken und streckte ihm ihre Hand entgegen, damit er ihr aufhalf. »Ah, du bist es! Bist du verletzt?«
    »Das sollte ich wohl eher dich fragen.« Vor Erleichterung musste er fast lachen. Sein Versuch, Talanna auf die Beine zu ziehen, scheiterte: Der plötzliche Ruck sorgte nur dafür, dass er, geschwächt, wie er war, neben ihr im Gras landete. Jetzt lachte er wirklich, auch wenn es in seinen Ohren mehr wie ein Keuchen klang. »Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt!«
    Nun scharten sich die anderen um sie. Irgendwo flackerte der Feuerschein einer Fackel auf, nur um augenblicklich wieder erstickt zu werden. »Kein Licht!«, bestimmte Nemiz. »Wir müssen unauffällig sein! Die Magier haben sicher den Tumult an der Brücke bemerkt und werden jeden Moment ihre Wachen schicken. Sehen wir zu, dass wir weiterkommen!« Er trat zu Talanna und zerrte sie auf die Füße. »Du warst sehr leichtsinnig. Denk daran, dass wir dich brauchen, wenn wir lebend auf den Boden kommen wollen.«
    »Ich musste kämpfen, oder sie hätten euch alle erledigt.« Talannas Stimme klang gepresst, sie sprach beinahe schleppend. Auch wenn sie aufrecht stand und offenbar versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, bemerkte Adeen, dass etwas mit ihr nicht stimmte. War sie etwa doch verletzt? Oder hatte der Gebrauch ihrer Magie sie so erschöpft?
    Nemiz sah sich um. »Wie viele von uns sind übrig?«
    »Acht fehlen«, sagte Yoluan, »auch Liba. Verletzt sind fünfzehn.«
    »Wie schwer?«
    »Alle können laufen.«
    Liba war der Name der Späherin gewesen, glaubte sich Adeen zu erinnern. Nemiz nahm ihren Verlust unbewegt zur Kenntnis. Auch niemand von den anderen zeigte Betroffenheit.
    »Wie viele Zauber haben wir noch?«
    Sie zählten die Schriftrollen durch. Die Eiszauber hatten sie bei dem verzweifelten Angriff auf die Magierkrieger verbraucht, nur einige Rollen mit Feuer- und Schwebezaubern waren zurückgeblieben. Bereits der eine Angriff hatte ihre Vorräte empfindlich schrumpfen lassen.
    »Wir müssen besser mit unseren Mitteln haushalten«, sagte Nemiz. »Verschwinden wir.« Er hinkte voran und wählte nicht den Weg den Hang hinauf, sondern schlug sich in eine dornige Ansammlung von Büschen und Bäumen, die zu ihrer linken Seite am Fuß des Berges wuchs. Seine Leute folgten ihm.
    Allmählich kehrte das Gefühl in Adeens verwundeten Arm zurück. Von der Verletzung und der Kälte stach er bis hinunter zu den Fingerspitzen. Wenigstens blutete die Wunde nun nicht mehr, aber Adeen spürte, wie schnell sein Herz schlug, wie seinen Füßen jeder Schritt schwerfiel, als wate er durch zähen Schlamm. Er musste sich ausruhen. Aber das war jetzt unmöglich.
    Während er am Ende der Gruppe dahinstolperte, hatte Talanna ihren Platz neben Nemiz wieder eingenommen. Einmal zog sie die Kapuze etwas zurück und schaute sich kurz um.
    Der Gedanke, dass sie vielleicht ihn ansah, ließ eine Spur von Wärme in Adeens erstarrten Körper fließen.

8
    Gabta
    B ald wichen auch die letzten roten Streifen am Horizont der Dunkelheit. Völlige Schwärze herrschte auf der Insel jedoch nicht: In dem Turm auf dem Berg brannte Licht. Aus der Nähe ließ sich erkennen, dass der obere Teil des Gebäudes in ein milchiges Glühen verschiedener Farben getaucht war, rot, bläulich, silberweiß … Adeen konnte die Augen kaum von diesem Anblick lösen. Es war auf eine angsteinflößende Weise schön, und zugleich beschlich ihn das Gefühl, er habe so etwas vor langer Zeit schon einmal gesehen. Doch das war ganz unmöglich. Schließlich hatte

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