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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaja Evert
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Macht einfach packt, mich glauben lässt, ich wäre ein Vogel … und ich will niemanden mehr töten. Bitte hilf mir. Du hast das Feuer beherrscht, du weißt, was ich tun muss, um diesen … Vogel zu kontrollieren.«
    Talanna blickte ihn aufmerksam an. Nebeltropfen hingen in ihren roten Haarstoppeln. »Du sagst, du willst niemanden mehr töten«, sagte sie sanft. »Aber auch du hast dich entschieden, am Kampf gegen Rashija teilzunehmen. Was, glaubst du, erwartet dich dort?«
    Ihre Worte erinnerten ihn an einen der vielen Unterschiede zwischen ihnen: Als Draquerin war Talanna mit einer Welt vertraut, in der getötet werden musste. Vielleicht fand sie es genauso erschreckend wie er. Er wusste es nicht. In diesem Augenblick war sie ihm sehr fremd, und das beunruhigte ihn ebenso sehr wie der Gedanke an das, was möglicherweise vor ihnen lag.
    »Hilf mir«, wiederholte er nur.
    »Keyla ist eine Erdmagierin. Glaubst du nicht, es wäre besser, wenn sie dich ausbildet?«
    »Ich möchte, dass du es tust.«
    Sie nickte. »Also gut. Dann fangen wir besser sofort an. Dieses alte Eisen muss warten.« Sie wies auf die Schwerter und Dolche. »Suchen wir uns einen Ort etwas abseits. Ich will nicht, dass du jemanden verletzt.«

    Am Seeufer wuchs das zerzauste Gras fast kniehoch. Die Sträucher hatten inzwischen fast alle Blätter abgeworfen und reckten ihr kahles braunes Geäst in den Nebel, die Dornen schimmerten feucht. Die Welt, die vor kurzem noch so voller Farbe gewesen war, wirkte nun fahl und müde. Während er hinter Talanna durch das Gras lief und spürte, wie kalte Nässe seine Hosenbeine durchtränkte, fragte sich Adeen, ob er den nächsten Frühling noch erleben würde – und wenn ja, wo er dann wäre, und wer.
    »Hier sind wir weit genug vom Lager entfernt«, sagte Talanna schließlich, als sich das Schilf lichtete und den Blick auf das nebelverhangene Wasser freigab. »Hier ist es ruhig. Stell dich neben mich, genau. Warte, zieh die Schuhe aus, damit du Kontakt zur Erde hast. Das sollte es einfacher machen.«
    Nur ungern trennte sich Adeen von seinen Schuhen, auch wenn sie schon ganz durchweicht waren. Er schauderte, als der kalte Schlamm zwischen seinen nackten Zehen emporquoll.
    »Die Magie steckt tief in deinem Körper«, sagte Talanna. »Gewöhnlich spürst du sie nicht. Mein Vater sagte immer, sie ist auch um uns herum, in allem Lebendigen und Toten, denn alles besteht aus den Elementen, so wie wir. Schließ die Augen und konzentrier dich auf die Erde unter deinen Füßen.«
    Ja, die Erde. Ringsum stank es. Der Schlamm, die Sträucher mit ihren feuchten, herabhängenden Blättern, das gelbbraune Schilf, alles roch nach Fäulnis. Von Bäumen in der Nähe ließen Vögel ihr kurzes, helles Tschirpen hören. Der Klang war wie ein Funken Helligkeit. Adeen lauschte darauf, konzentrierte sich auf die lebendige, warme Kraft, die er gespürt hatte. Allmählich hörte er auf zu frösteln. Wärme sickerte in ihn hinein, ein tiefes Goldgrün, nicht die schrillen Farben, die er auf Gabta gesehen hatte. Hinter seinen geschlossenen Augen webte es Muster aus Ranken und ineinanderfließenden Kreisen. Es war ähnlich wie vor ein paar Tagen, als er neben Keyla gestanden hatte, nur sanfter. Die Magie legte ihre warme Hand auf sein Herz, und er spürte ihre Kraft.
    Alles geschah auf einmal so selbstverständlich, dass er nicht wusste, ob es ihn begeisterte oder erschreckte. Selbst als er die Augen öffnete, sah er die Muster noch immer. Wie Schlangen wanden sich die Ranken vor ihm, und durch sie hindurch blickte er auf Talannas Gesicht. »Ich fühle es«, sagte er. »Ich sehe … etwas. Talanna, was soll ich tun?«
    Sie hatte die Augen halb zusammengekniffen, studierte ihn. »Kannst du diese Kraft berühren?«
    »Wie soll ich das tun?«
    »Wie es dir am leichtesten fällt. Stell dir vor, du greifst mit der Hand dorthin, wo sich die Magie in dir sammelt. Fass sie.«
    Adeen holte zitternd Atem und versuchte zu tun, was Talanna gesagt hatte. Seine Hand … es war absurd, er konnte sich doch nicht vorstellen, wie er die Hand um sein Herz legte, dort, wo die fremdartige Hitze in ihm prickelte. Dann schob er seine Zweifel beiseite, schloss die Finger zur Faust – und zuckte zusammen, denn es war, als greife er buchstäblich in sein lebendiges Fleisch. Seine Finger hatten sich mit einer klebrigen Wärme überzogen, und er glaubte, er müsse Blut von ihnen hinabtropfen sehen. Doch stattdessen hüllte ein mattes Leuchten seine Hand ein.

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