Fluegel der Dunkelheit
hat als einziger diese wahnsinnigen
Experimente übergeschnappter Menschen überlebt. Mit diesem
Vampirjäger hat Luca nichts zu tun.«
Manuel stützte sein
Kinn auf seine gefalteten Hände. »Was für eine rührende
Geschichte.«
Dieser Schleimbeutel
konnte für andere wirklich kein Mitgefühl aufbringen. Victor wurde
lauter. »Deine schleimigen Worte kannst du dir schenken. Luca ...«
»Genug jetzt!«
Manuel schnellte in die Höhe. »Verschwinde!«
Victor atmete
erregt. Zu gern hätte er Manuel einen Kinnhaken verpasst, doch so
viel Ärger konnte er im Moment nicht gebrauchen. Als er die Tür von
außen schloss, stand Manuels Frau neben ihm.
»Ist das wahr?«
Victor nickte. Sein Zorn legte sich ein wenig.
Sie sah ihn fast
mitfühlend an. »Ich spürte damals, dass er Furchtbares hinter sich
hatte. Das erklärt natürlich auch, warum er nichts über die
Selbstheilung wusste.« Sie versuchte zu lächeln und flüsterte,
»ich werde versuchen mit ihm zu reden.«
Victor bemerkte
seine Wut über die Machtlosigkeit Manuel gegenüber. Das Einzige,
was Victor jetzt tun konnte, war Luca vor Manuel zu finden. Niemand
sollte die Folter dieses überheblich herzlosen Anführers
kennenlernen müssen und Luca erst recht nicht. Um etwas Abstand von
der Situation zu bekommen, ließ sich Victor bei Ion ein Glas Rotwein
geben.
»Gab es Ärger mit
Manuel?«, fragte Ion.
Victor nickte nur.
»Die Sache mit dem
Vampirjäger ist eine harte Nuss für uns. Die meisten hier glauben,
dass es dieser langhaarige Einzelgänger von damals ist, wobei«, Ion
zog seine Stirn kraus, »ich mir das nicht richtig vorstellen kann.
Der Junge ist Auseinandersetzungen immer aus dem Weg gegangen.«
Victor beschloss,
Ion alles von Luca zu erzählen. Der Weinhändler hatte genug
Kontakte und Verbindungen, die vielleicht sogar nützlich sein
könnten, Luca aufzuspüren, wo auch immer er jetzt war. Ion
versprach zu helfen, er würde sich bei Victor melden. Auf dem Weg
zum Auto wählte Victor jenen Weg zur abgelegenen Pension, die Luca
seinerzeit bewohnt hatte. Ja, zu dieser Zeit ließ noch Manuel mit
sich reden, sonst wäre Luca nach seiner Verletzung jämmerlich
verblutet.
Was für ein
grausames Schicksal dem Jungen beschert war. Victor rief sich die
düsteren Prognosen von Liana hinsichtlich Lucas Gesundheitszustands
ins Gedächtnis. Vermutlich würde dieses Kopfgeld ohnehin nie zum
Einsatz kommen. Je länger er über die letzten Wochen nachdachte,
desto mehr wuchsen seine Vorwürfe, dass es ihm damals nicht gelungen
war, Lucas Vertrauen zu gewinnen. Diese blöde Idee mit dem
Mundschutz hatte Luca vertrieben.
Die Pension von
damals war geschlossen, hier kam niemand mehr her. Sie lag vermutlich
zu abgelegen. Victor blieb kurz stehen. Er nahm jemanden wahr.
Vielleicht hatte Manuel seine Schlägertruppe auf ihn gehetzt.
Aber hier? Er musste
vorsichtig sein. Leise setzte er einen Schritt vor den anderen. Da
vorn, in der Nische, da saß doch wer. Victor schärfte seine Sinne.
Ein ungutes Gefühl stieg in ihm hoch. Er befand sich außerhalb von
Manuels Grenzen, bis hier würden seine Leute ihn nicht verfolgen,
oder doch? Es könnte auch dieser Vampirjäger sein. Wenn der Kerl
die Schwachstelle mit der Milz kannte, vielleicht sogar mit diesen
Ärzten der Wissenschaft in Verbindung stand, dann fand Victor das
mulmige Gefühl in seiner Magengegend durchaus berechtigt.
Aber hier unten?
Nein, er spürte deutlich einen Vampir. Seitlich saß er dort auf dem
Boden, mit dem Rücken zur Wand, als warte er auf etwas. Er schien
Victor nicht wahrzunehmen. Gut zehn Meter vor der hockenden Gestalt,
die nicht einmal aufsah, schreckte Victor zusammen.
»Der gute alte
Victor.« Die Kapuze an seinem Sweatshirt hatte er weit übers
Gesicht gezogen. »Ich habe mich niemals für deine Hilfe bedankt.«
Victor fühlte sich
verunsichert, es war eine reife, tiefe und raue Stimme, die ihm nicht
bekannt war. Der unbekannte Vampir hatte nicht aufgesehen, doch
wusste er genau, wer kam. Auch für einen Vampir war dies eine
ungewöhnliche Fähigkeit. Manuel steckte bestimmt dahinter. Langsam
ging Victor weiter auf den Vampir zu. »Ich kann mich nicht erinnern,
dir geholfen zu haben.«
Er wandte seinen
Kopf zur Seite. »Damals war ich nicht sicher, ob ich über deine
Hilfe froh sein sollte«, er schob die Kapuze zurück, »heute bin
ich dankbar.«
Victor
spürte, wie sich seine Augen weiteten. »Luca?!«
Er hob die linke
Hand. »Luca starb – vor langer Zeit. Mein Name ist
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