Fluegellos
verraten, dass das alles nur Show gewesen war? Er selbst hatte gestern den Mund gehalten, als er um kurz nach Mitternacht nach Hause gekommen war. Emilia hatte noch in ihrem Büro gearbeitet, und er war zu müde gewesen, um sie darauf anzusprechen. Zu durcheinander. Hatte sich gefühlt, als hatte jemand sein Gehirn in einem Mixer püriert.
Gestern war ein merkwürdiger Abend gewesen. Zum einen hatte er Nina für den Bruchteil eines Moments gehasst, als sie es ihm erzählt hatte. Weil sie mit schuld daran war, dass aus Emilia dieses Wrack geworden war, auch wenn er es ihr gegenüber immer abstritt. Doch Ninas Sorgen waren in Wirklichkeit berechtigt. Und zum anderen hatte er vollstes Verständnis mit ihr und dem, was sie getan hatte. Sie tat ihm fast leid, und das hatte sie auch getan, als sie gestern weinend in seinen Armen gelegen hatte. Er konnte sie einfach nicht dafür hassen. Jemand, der keine Liebe verspüren durfte, sollte erst recht von niemandem gehasst werden. Außerdem würde sich dieses Gefühl mit einem anderen überschneiden, das in Valentins Adern strömte, wenn er sie sah.
Er liebte sie irgendwie!
Er drehte den Schlüssel im Schloss, warf einen letzten, misstrauischen Blick auf ihr Auto und verschwand im Haus. Auf dem Weg nach oben breitete sich in ihm ein ungutes Gefühl aus. Was würde er drinnen vorfinden? Emilia, die Nina zusammengeschlagen hatte? Nina, die auf der Couch saß und weinte?
Instinktiv lief Valentin schneller. Als er vor der Tür zum Stehen kam, hielt er inne. Aus der Wohnung drang eine leise Stimme an sein Ohr. Emilia. Sie klang weder aufgebracht, noch besorgt. Sie klang klar und sachlich. Als interviewte sie gerade jemanden.
Er runzelte die Stirn und versuchte, so leise wie möglich die Tür aufzuschließen. Das leise Klicken konnte er nicht verhindern, und so verharrte er kurz, nachdem das Geräusch abgeklungen war. Hatte man ihn gehört?
Aber Emilia redete einfach weiter. Er schnappte Wortfetzen wie Gedanken und Seele auf. Wovon redete sie?
Vorsichtig drückte er die Tür auf und schlüpfte durch den entstandenen Spalt. Ihre Stimme war jetzt voll zu verstehen und er ließ die Tür geöffnet, um kein Geräusch zu verursachen, wenn er sie schloss.
»Also, wie machst du das, Menschen zusammenzubringen?«, fragte Emilia gerade.
Valentin zog seine Schuhe aus und ging auf Zehenspitzen zum Türbogen, der ins Wohnzimmer führte. Emilia saß, den Rücken zu ihm gewandt, auf dem Sessel und hatte ihr Notizbuch vor sich aufgeschlagen. Leichte Wut kochte in ihm hoch, als er es sah. Wie heilig es ihr war. Heiliger, als ihr Valentin war.
Doch dann fiel sein Blick auf Nina, die ihr gegenüber saß, und er vergaß jede Wut. Er schluckte. Nina starrte vollkommen ausdruckslos in Emilias Richtung und hob die Schultern, ohne jede Rührung in ihrem Gesicht. »Ich gehe zu ihnen und sage ihnen, dass sie füreinander bestimmt sind.«
Valentin schüttelte den Kopf. Selbst ihre Stimme hatte keinerlei Emotion und war vollkommen leer, genau wie ihr Blick.
Was war passiert?
Er hob die Hand, in der Hoffnung, dass sie zu ihm aufsah, aber sie schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass er da war. Sie starrte nur weiter zu Emilia. Valentin war sich nicht sicher, ob sie sie überhaupt ansah, oder ob ihr Blick durch sie hindurch führte und in der Ferne lag. Sie schien in einer ganz anderen Welt zu sein. In der Emilia nur eine Stimme war, deren Ursprung sie suchte, und in der sie Valentin gar nicht wahrnahm.
Nina! , dachte er, in der Hoffnung, dass sie das hörte.
Aber sie fixierte nur weiter etwas, das keiner sehen konnte, außer ihr. Liebe! Er musste irgendetwas denken, in dem es um Liebe ging!
»So trivial?«, fragte Emilia, woraufhin Nina nur nickte.
Wieso tat sie das? Wieso redete sie mit Emilia, wenn sie sie sowieso nur anlog?
»Ich hatte es mir irgendwie spannender vorgestellt«, lachte Emilia.
Augenblicklich verkrampften sich die Muskeln in seinen Händen. Wie konnte sie lachen, wenn direkt vor ihr Nina saß, die offensichtlich nicht ganz bei der Sache war, und der es noch offensichtlicher alles andere als gut ging? Merkte sie denn gar nicht, wie fertig sie war?
Ich liebe dich! , dachte er dann, an Nina gerichtet. Er wusste nicht, ob sie jemals so einen direkten Gedanken gehört hatte, aber das spielte jetzt keine Rolle. Wenn es überhaupt in einem Gedanken um Liebe ging, dann in diesem.
Aber Nina reagierte nicht. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper.
Er runzelte die Stirn. Was war in
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