Fluegelschlag
wenigstens war der Engel klug genug gewesen, sie nicht auch noch durch den Vordereingang hereinzuschleppen.
»Nun?«, fragte er schließlich.
Arian war erleichtert, dass Cathure ihn nicht sofort wieder vor die Tür setzte. In knappen Worten erklärte er die Situation und musste dabei nicht einmal darauf eingehen, wen er hinter den Ereignissen vermutete. Cathure war kein Dummkopf und würde verstehen, dass Arian vor Juna so wenig Details wie möglich erwähnen wollte.
Juna fühlte sich erschöpft und war dankbar, ein paar Minuten für sich zu haben. Der Fremde hatte sich ihr zwar nicht vorgestellt, aber immerhin einen Platz und sogar ein Getränk angeboten. Letzteres hatte Juna abgelehnt. Nun saß sie in einem bequemen Sessel und betrachtete die beiden Männer, die sich über einen Tisch beugten, auf dem eine große Landkarte ausgebreitet war, und leise in einer fremden Sprache redeten. Es lag auf der Hand, dass ihr Gastgeber Arians Natur kannte. Und dass er selbst kein Mensch sein konnte, war ihr ebenso klar. Zum einen kannte sie niemanden, der so entspannt reagiert hätte, wäre ein Engel auf seinem Balkon gelandet. Zum anderen spürte sie eine übernatürliche Energie in ihm, die Arians nicht ganz unähnlich war. Doch wo der Engel Licht und die Weite des Horizonts in seinen Genen zu tragen schien, ließ dieser Mann sie an Wiesen denken, an smaragdgrüne Seen und
lichte Wälder. Ein Engel ist er jedenfalls nicht , dachte sie gerade, als er kurz aufsah und ihre Blicke sich trafen. Sie glaubte ein kurzes Flackern in seinen Augen zu sehen - fast, als habe er ihre Gedanken gehört und sei darüber erstaunt.
Doch dann wandte er sich wieder Arian zu, und Juna dachte schon, sie habe sich geirrt, als der Duft von frischer Erde und die Wärme eines Sommertags sie einhüllten. Es war, als glitte sein Lächeln über ihre Haut, und sie gab einen erschrockenen Laut von sich. Arian reagierte sofort. Mit einem ärgerlichen Ausruf stand er plötzlich dicht an ihrer Seite. »Sie steht unter meinem Schutz!«
Jetzt lachte der Mann. »Das ist unübersehbar.« Juna war genervt. Wieso glaubte jeder, dem sie begegneten, dass sie ein Paar waren?
Vielleicht, weil ihr euch so verhaltet? , fragte ihre stets kritische innere Stimme.
Der Mann kam auf sie zu. »Ich bin Cathure.«
Juna blieb sitzen und sah ihn erwartungsvoll an.
»Deine Sinne haben dich nicht getäuscht. Mein Element ist die Erde, Mutter Natur ist meine Herrin.« Er senkte leicht den Kopf, als erkenne er damit deren Hoheit an, und griff dann so schnell nach ihrer Hand, dass weder sie noch Arian reagieren konnten.
Arian mahnte: »Cathure!«
Doch er ließ sich nicht beirren und schloss stattdessen kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah sie ihr eigenes Feuer darin. »Solltest du jemals Hilfe brauchen, ich bin immer für dich da!« Damit zog er ein feines Lederband aus der Tasche, an dessen unterem Ende ein merkwürdig geformtes, sehr leichtes Holzstück hing, und legte es um ihren
Nacken. »Trag dieses Amulett stets direkt auf der Haut, und es wird dir helfen, die Wahrheit zu erkennen.«
Juna war sprachlos, und Arian schien es nicht anders zu ergehen. Als er die Hand auf ihre Schulter legte, glaubte sie deutlich seine Überraschung spüren zu können. Vielleicht hätte er etwas gesagt, wenn es in diesem Augenblick nicht geklopft hätte. Schnell verbarg sie das Geschenk unter ihrem T-Shirt, wie Cathure ihr geraten hatte.
Er war blitzschnell an der Tür und öffnete sie einen Spalt. Ihm schien daran gelegen zu sein, dass niemand seine Besucher zu Gesicht bekam. Als er zu ihnen zurückkehrte, wirkte er besorgt. »Es gibt schlechte Nachrichten. In Johnstone hat es Straßenschlachten gegeben. Angefangen hat es mit einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gangs. Es gibt mindestens sieben Tote und zahllose Verhaftungen.« Bedeutungsvoll sah er Arian an.
Juna sprang auf. »Das ist hinter Paisley, habe ich Recht? Iris stammt daher. Zumindest hat sie das erzählt, als ich noch nicht wusste …« Hilflos hob sie die Schultern. »Als ich noch nicht wusste, wer sie wirklich ist«, ergänzte sie leise.
»Ich kümmere mich darum.« Arian wollte zum Balkon gehen, aber Juna hielt ihn am Ärmel fest.
»Wo willst du hin? Du kannst mich doch nicht einfach hierlassen.«
»Juna, deshalb sind wir hergekommen. Wenn dieser Dämon deinen Schutzengel entführt hat, dann weiß er auch über dich Bescheid, und er besitzt den Schlüssel zu deiner Seele.«
»Was soll das nun
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