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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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neospanischen Stil stand auf einem ziemlich großen Grundstück ein gutes Stück von der Straße entfernt. Rotes Ziegeldach. Cremefarbener Verputz. Bleiverglaste Fenster. Zwei große schmiedeeiserne Kutschenlampen zu beiden Seiten der Eingangstür.
    Frank parkte in der kreisförmigen Einfahrt.
    Sie stiegen aus ihrem unmarkierten Wagen.
    Tony griff unter sein Jackett und zog den Dienstrevolver aus dem Schulterhalfter.
    Hilary hatte sich an ihrem Schreibtisch im Arbeitszimmer ausgeweint und dann halb benommen beschlossen, zuerst nach oben zu gehen und sich ein wenig zurechtzumachen, bevor sie den Überfall der Polizei melden wollte. Ihr Haar war völlig durcheinander, ihr Kleid zerfetzt; und die Strumpfhose hing in lächerlichen Schlingen um ihre Beine. Sie wußte nicht, wie lange es dauern würde, bis Reporter auftauchten, sobald die Meldung über Polizeifunk gegangen wäre; aber daß sie über kurz oder lang auftauchen würden, das stand für sie außer Zweifel. Seit ihren zwei erfolgreichen Filmdrehbüchern war sie eine bekannte Persönlichkeit. Vor zwei Jahren wurde sie für das Drehbuch zu Arizona Pete für den Oscar nominiert. Ihr Privatleben war ihr heilig. Sie zog es vor, der Presse, wenn möglich, aus dem Weg zu gehen, aber sie wußte, daß ihr eine Aussage nicht erspart bleiben würde, und Fragen bezüglich der Geschehnisse der letzten Nacht auf sie zukämen. Dies war sicher die falsche Art von Publicity. Peinlich. In einem solchen Fall Opfer zu sein empfand sie als schlimme Erniedrigung. Obwohl sie Mitgefühl erwarten könnte, würde sie dennoch nicht gut dastehen, käme sich herumgeschubst vor. Sie hatte sich gegen Frye erfolgreich verteidigt, aber der sensationslüsternen Öffentlichkeit bedeutete das nichts. Im unfreundlichen grellen Licht der Fernsehscheinwerfer und auf den ausdruckslosen grauen Zeitungsfotos würde sie schwach aussehen. Das unbarmherzige amerikanische Publikum würde fragen, warum sie Frye ins Haus gelassen habe. Sie würden argwöhnen, man habe sie vergewaltigt, und ihre Behauptung, sie habe ihn abgewehrt, sei nur Tarnung. Einige wären überzeugt davon, sie habe ihn ins Haus gelassen und ihn förmlich dazu aufgefordert, sie zu vergewaltigen. Der größte Teil der ihr entgegengebrachten Sympathie wäre von morbider Neugierde durchsetzt. Und das einzige, was sie kontrollieren konnte, war ihr Aussehen zum Zeitpunkt des Erscheinens der Reporter. Sie durfte einfach nicht zulassen, in dem jämmerlichen, zerzausten Zustand, in dem Bruno Frye sie verlassen hatte, fotografiert zu werden. Sie wusch das Gesicht ab, kämmte sich die Haare und schlüpfte in einen seidenen Morgenmantel mit einem Gürtel um die Taille, und es kam ihr bei alldem nicht in den Sinn, daß sie dadurch bei einem Verhör ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen würde. Sie war sich nicht im klaren, daß sie sich durch die Veränderung ihres Äußeren zur Zielscheibe für Argwohn und Mißgunst wenigstens eines Polizisten machte und vielleicht den Vorwurf der Lüge kassieren würde. Obwohl sie glaubte, sich im Griff zu haben, fing Hilary nach dem Umkleiden erneut zu zittern an. Ihre Beine versagten ihr den Dienst; sie mußte sich einen Augenblick lang gegen die Tür ihres Kleiderschrankes lehnen.
    Alptraumartige Bilder drängten sich in ihr Bewußtsein, lebendig wirkende, spontane Erinnerungen aus ihrem Unterbewußtsein.
    Zuerst sah sie Frye mit einem Messer und dem Totenschädel-Grinsen auf sich zukommen. Plötzlich veränderte er sich, verschmolz mit einer anderen Gestalt, nahm eine andere Identität an, die ihres Vaters, Earl Thomas; unvermittelt war es Earl, der auf sie zukam, betrunken und zornig fluchend, mit seinen großen, harten Händen auf sie einschlagend. Sie schüttelte den Kopf, atmete ein paarmal tief durch und schaffte es schließlich mit einiger Mühe, die Vision zu verdrängen. Aber sie zitterte unaufhörlich am ganzen Körper. Sie bildete sich ein, in einem Zimmer des Hauses seltsame Geräusche zu hören. Ein Teil von ihr hielt sie für Fiktion, aber der andere war überzeugt davon, in Wirklichkeit sei Frye zurückgekehrt.
    Als sie schließlich zum Telefon rannte und die Nummer der Polizei wählte, befand sie sich in einem Zustand, der eine ruhige, vernünftige und sachliche Schilderung, die sie liefern wollte, einfach nicht mehr zuließ. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten sie viel tiefer berührt, als sie zunächst dachte; es würde Tage, vielleicht sogar Wochen dauern, bis sie sich von dem Schock

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