Flug in Die Nacht
damals sehr ähnlich gewesen.«
Masters zog lächelnd die Augenbrauen hoch. »Wirklich?
Dirty Harry ist unverkrampft und locker gewesen? Sie haben Bier getrunken und mit Frauen geflirtet und sich manchmal in eine verknallt?«
Diesmal lächelte auch McLanahan. Er dachte an die Parties von B-52-Besatzungen in Kalifornien, die Schlauchbootfahrten den American River hinunter – ein großes Zwölfmann-Schlauchboot für Besatzungsmitglieder, Ehefrauen und Freundinnen; im Schlepp ein nur wenig kleineres für die vielen Kühlboxen mit Sechserpacks –, die nächtelangen Streifzüge durch die Bars von Old Sacramento, die Skiausflüge zum Lake Tahoe, von denen sie oft nur knapp vor dem nächsten Übungsflug auf den Stützpunkt zurückgekommen waren.»Andauernd, Jon!«
»Aber was hat Sie so verändert?«
McLanahans Lächeln verschwand. All die sentimentalen Erinnerungen an diese unbeschwerte Zeit explodierten in einem gleißend hellen Feuerball namens Realität. Er ließ seine Erkennungsmarke unters T-Shirt gleiten und steckte seine Wasserflasche wieder ein. Von draußen kamen der stechende Geruch von verbranntem Kerosin und das Röhren eines startenden Flugzeugs in den Raum, und vor Patricks innerem Auge erschienen wieder die Schreckensbilder eines früheren unmöglichen Einsatzes an einem Tausende von Meilen entfernten Ort.
»Einsätze«, sagte er nur, bevor er sich abwandte und hinausging.
12
An Bord des Zerstörers »Kaifeng« Zweihundertfünfzig Seemeilen südöstlich von Davao
Montag, 10. Oktober 1994, 23.52 Uhr Ortszeit
Auf den Radarschirmen war das große, langsame, schwerfällige Flugzeug in fast hundert Seemeilen Entfernung und großer Höhe mühelos zu verfolgen: ein einzelner, unbegleiteter Bomber B-52, der mit geruhsamen vierhundertzwanzig Knoten nach Westen flog. Obwohl er eindeutig näher kam, würde er auf diesem Kurs klar außerhalb der Reichweite der Fla-Lenkwaffen HQ-91 des Zerstörers Kaifeng bleiben. Die B-52 machte offenbar ganz bewußt einen weiten Bogen um die chinesischen Kriegsschiffe.
Falls diese B-52 Abwurflenkwaffen trug, stellte sie trotzdem eine ernst zu nehmende Gefahr dar: Ihre Lenkwaffen Harpoon konnten den Zerstörer erreichen, während sie außer Reichweite seiner Fla-Raketen blieb und im Augenblick auch für keinen der eigenen Jäger zu erreichen war. Der Kommandant der Kaifeng, eines Zerstörers der Luda-Klasse mit über dreihundert Mann Besatzung, war entschlossen, den Eindringling nicht aus den Augen zu lassen. »Zentrale, Brücke, Status dieser B-52?«
fragte der Zerstörerkommandant.
»Brücke, Zentrale, Luftziel in sieben-acht Seemeilen Entfernung. Höhe eins-null-tausend Meter, Geschwindigkeit vier-zwo-null Knoten. Bisher keine erkennbaren Radarsignale.
Die Maschine ist jetzt in Harpoon-Reichweite.«
»Verstanden.« Der Kommandant achtete darauf, sich keinesfalls anmerken zu lassen, wie frustriert und ungeduldig er war. Amerikanische B-52 flogen jetzt schon seit vielen Tagen»Spürhund«-Einsätze bis an die Grenze der Reichweite chinesischer Fla-Lenkwaffen, um dann abzudrehen, sobald sie von einem Zielsuchradar erfaßt wurden. Auch diese B-52 blieb hoch, flog verhältnismäßig langsam und wirkte trotz der Abwurflenkwaffen Harpoon, die sie möglicherweise trug, nicht unbedingt bedrohlich. Aber sie war bestimmt mit Empfängern und Sensoren vollgestopft und versuchte, den chinesischen Funkverkehr abzuhören oder die Signale von Zielsuchradargeräten zu analysieren …
… oder sie war mit Lenkwaffen Harpoon zur Bekämpfung von Schiffszielen vollgestopft und setzte gerade zum Angriff an. »Funkraum, Brücke, keine Reaktion dieses Flugzeugs auf unsere Warnungen?«
»Keine, Genosse Kapitän«, antwortete der Funkoffizier. Wie alle Schiffe der von Admiral Yin Po L’un befehligten Kampfgruppe strahlte auch die Kaifeng seit Tagen Warnungen an alle Flugzeuge aus, den Luftraum vor den südlichen Philippinen zu meiden. Über die Célebes-See hatten Flugrouten nach Brunei, Malaysia, Indonesien und Singapur mit Zwischenstopps auf dem Samar International Airport geführt, aber die chinesische Luftwaffe hatte dieses Gebiet jetzt gesperrt, und der Flugverkehr von und nach Manila wurde streng kontrolliert. Seitdem die Atomexplosion vor Palawan die Gefahr von Strahlungsschäden extrem hatte ansteigen lassen, wurde dieser Luftraum ohnehin bewußt gemieden.
Aber die amerikanische Air Battle Force schien entschlossen zu sein, alle Warnungen zu ignorieren.
»Zentrale, Brücke,
Weitere Kostenlose Bücher