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Flug ins Feuer

Flug ins Feuer

Titel: Flug ins Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shalvis Jill
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winselte wieder.
    Seufzend holte er den Erste-Hilfe-Kasten aus seinem Rucksack. »Na, komm schon.«
    Vertrauensvoll kam sie näher, und ein Blutstropfen fiel vor seine Füße. »Arme Kleine«, sagte er und hob sie auf den Schoß, um ihre Wunde zu säubern, was sie unter gelegentlichem Winseln auch zuließ.
    Er hatte sie gerade wieder abgesetzt, als sein offener Rucksack klingelte. Merkwürdig, da er gar kein Handy hatte. Er durchsuchte den roten Rucksack, von dem er hätte schwören können, ihn sorgfältig durchsucht zu haben, und zog ein Handy aus einer Innentasche.

    Sein Bruder. Er zuckte die Achseln und sah Tallulah an, die genauso überrascht wirkte wie er, dann drückte er auf den Antwortknopf. »Hallo?«
    »Geht’s dir gut?«, fragte Brody.
    »Das ist sogar für dich ein neuer Tiefpunkt an Schäbigkeit, mir ein Handy unterzuschieben.«
    Sein Bruder lachte leise. »Ich habe mich gefragt, ob du überhaupt noch weißt, wie ein Telefon klingelt, wo du ihm doch über ein Jahr aus dem Weg gegangen bist.«
    »Hast du nicht etwas Wichtigeres zu tun? Sagen wir, ein Nickerchen zu machen? Oder vielleicht einen See zu finden, in den du eine Angelrute werfen kannst?«
    »Nein. Ich habe für beides später noch reichlich Zeit. Also...« Brodys Stimme war jetzt tiefernst. »Wie läuft es? Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe, mich gefragt habe, ob ich dich vielleicht zu schnell zu sehr bedrängt habe.«
    »Tja, hast du. Ich hoffe, dass dich das auch heute Nacht wach hält. Am besten jede Nacht.«
    »Verdammt, Griffin, ist es so schlimm?«
    »Was glaubst du denn?«
    »Es tut mir Leid. Herrgott, es tut mir so Leid.«
    »Ja, das hilft gewaltig.«
    »Ich dachte nur, wenn ich dich ins kalte Wasser schmeiße, würdest du schwimmen, verstehst du? Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.«
    Bedrückt über die aufrichtige Anteilnahme in der Stimme seines Bruders, kniff Griffin die Augen zu und rieb sich den Nasenrücken. »Hör zu, es ging mir prima, da am Strand zu sitzen …«
    »Allein.«
    »Ich brauchte das hier nicht.«

    »Doch, du brauchtest es. Du brauchtest diesen Tritt in den Hintern.«
    »Es fühlt sich an wie ein Tritt ins Herz.«
    »Hör zu, das hatten wir alles schon. Versprich mir einfach, dass du das Handy benutzt, ja? Ruf Mom und Dad an …«
    »Ich muss los.« Griffin drückte die Austaste und widerstand der Versuchung, das Ding ins Gebüsch zu werfen. Er versuchte bewusst, nicht weiter darüber nachzudenken, streichelte Tallulah, lauschte den Vögeln... und es klappte auch ganz gut, bis das hübsche Bild von Lyndie und wie sie in der Dusche ausgesehen hatte, ganz nass und glänzend und verlockend, ungebetenerweise vor ihm auftauchte.
    Das funktionierte auch.
    Schwer zu glauben, dass ihm die ganze Zeit keine Frau den Kopf verdreht hatte, nicht eine. Und dennoch verdrehte ihm Lyndie den Kopf gewaltig. Zum Teufel, sie hatte ihm den Kopf nach allen Regeln der Kunst verdreht. Was beinahe genauso beängstigend war wie das, was ihm heute bevorstand.
    Das Feuer.
    Er hatte geträumt gestern Nacht – lange, quälende, erschreckende Träume, in denen er alles wieder durchlebte, was ein Jahr zuvor passiert war, und er war keuchend aufgewacht, mit den Namen der Gefallenen auf den Lippen und Tränen auf den Wangen.
    Und in diese Hölle musste er heute zurückkehren. Und jetzt hatte er auch noch Brodys Worte im Kopf.
    Ruf Mom und Dad an ...
    Verdammt. Er hatte so lange nicht mit ihnen geredet … zu lange.

    Er hatte den Weg zurück verloren.
    Brody wollte ihm helfen. Die Verblüffung, dass sein ausgelassener, verantwortungsloser jüngerer Bruder sich um ihn sorgte, statt dass es sich eher umgekehrt verhielte, wäre noch viel stärker gewesen, wenn er nicht seinetwegen an diesem verlassenen Ort sitzen und seinen Albträumen gegenübertreten müsste.
    Er hatte sich nicht zu Hause gemeldet, und er schämte sich deswegen sehr, aber er wusste, der Schmerz, die Stimme seiner Eltern zu hören, würde ihn zerbrechen. Sie würden über das reden wollen, was passiert war, und das konnte er einfach nicht, nicht einmal für sie. Konnte das Feuer, das so vielen den Tod gebracht hatte, nicht noch einmal durchleben – das Feuer, mit dem er es heute zu tun bekäme, war jenem übrigens nicht unähnlich.
    Fußschritte ertönten hinter ihm. Die jeansbekleideten Beine, die in seinem Gesichtskreis auftauchten, waren fest und wohl geformt. »Nun sieh sich das einer an, hast du es so eilig, dass du

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