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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Eine andere zittrige großmütterliche Stimme bestätigte ihr, dass sie eine Enkeltochter namens Clare habe, und wollte wissen, worum es eigentlich ging.

22
    Zwei Streifenpolizisten hatten den Mord-Selbstmord-Anruf überprüft und meldeten atemlos, dass es zwei Leichen gab, massive Verletzungen, jede Menge Blut, und nun stand Challis in der Wohnzimmertür eines kleinen Hauses, in dem es metallisch nach dem Blut roch, durchsetzt mit dem Geruch von verbranntem Kordit und noch etwas, was sich tiefer festgesetzt hatte, so als würde es im Haus Tiere geben. Noch nach Jahren in diesem Beruf beunruhigte ihn der Tatort eines Mordes zutiefst. Er stopfte sich den Schlips ins Hemd – es wäre nicht das erste Mal, dass er auf seine Krawatte kotzte – und trat ein.
    Zwei Leichen. Die Frau klemmte zwischen Sofa und Beistelltisch, Gesicht und Schultern lagen auf einem Magazin, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag, die Knie auf dem Teppich. Sie hatte eine Ladung in den Hinterkopf bekommen. Blut, Knochen und Hirnmasse hatten sich vor ihr auf dem Tisch und darüber hinaus auf dem Boden verteilt.
    Der Mann saß in einem Lehnsessel der Frau gegenüber, den Zwillingslauf einer Schrotflinte unters Kinn geklemmt. Er hatte anscheinend die rechte Hand ausgestreckt und mit dem Daumen abgedrückt. Der Großteil seines Kopfes fehlte.
    »Man muss schon ziemlich entschlossen sein, um so was zu tun«, sagte Sutton.
    Challis überhörte ihn. Eine Art geheime, vibrierende Befriedigung hatte ihn erfasst. Dies hier war ein Doppelmord, und die einzigen Regeln, die nun galten, lauteten: Nichts ist sicher, niemandem ist zu trauen, alles ist zu überprüfen.
    Er führte Sutton wortlos aus dem Haus und sagte dem uniformierten Constable am Vordertor: »Ich möchte, dass das Haus abgeriegelt wird. Zutritt nur für Befugte und in Tatortausrüstung.«
    Damit meinte er sterile Overalls, Überschuhe, Handschuhe und Mützen. Davon gab es ein paar Sätze im CIB-Falcon; Sutton und Challis zogen sich eilig an und kehrten ins Wohnzimmer zurück.
    Als Erstes umkreiste Challis die Leichen in einiger Entfernung, kauerte sich ab und zu hin und prüfte den Blickwinkel. Weil es sich hier um einen Tatort handelte, musste ein Entfernungsradius festgelegt werden, vor allem im Hinblick auf die Medien und die Reichweite ihrer Linsen und Mikrofone; dazu mussten Zugangs- und Abfahrtsweg des Täters festgestellt werden, denn dabei handelte es sich um sekundäre Tatorte. In der Zwischenzeit würde das Zimmer von Kriminaltechnikern kartografiert, gefilmt und fotografiert werden, und der Rechtsmediziner würde eine erste Untersuchung zur offenkundigen Todesursache und zum möglichen Zeitpunkt des Todes durchführen und bestimmen, ob irgendwelche erkennbaren Verletzungen den Opfern vor oder nach dem Tode zugefügt worden waren. Außerdem sollten mögliche Spurenquellen am Tatort von vornherein festgestellt werden: Verdächtige, das Wetter, Verwandte der Opfer, Tiere (da war wieder dieser Geruch) und offizielle Personen – er selbst, andere Polizisten, Rettungssanitäter, der Rechtsmediziner. Doch jetzt erledigte Challis seinen Job, besah sich eingehend den Tatort und machte sich ein Bild.
    Dann kauerte er sich hin und tastete die Taschen des Mannes ab. Schlüsselbund in der linken Tasche. Er verglich die beiden Hände des Mannes miteinander, ohne sie zu berühren. Die rechte Hand wies weniger alltägliche Schnitte, Kratzer und Schwielen auf als die linke, und sie war ein wenig kleiner.
    Challis erhob sich und sagte: »Ich möchte, dass das Zimmer und die Leichen nach Fingerabdrücken untersucht und die Hände eingepackt werden.«
    »Chef?«, fragte Scobie stirnrunzelnd.
    »Vielleicht haben sie den Killer gekratzt. Vielleicht hat der Killer sie berührt.«
    »Aber das ist ein Mord mit anschließendem Selbstmord. Sie haben doch das Band abgehört.«
    »Erstens«, sagte Challis, »ist der Mann Linkshänder, nicht Rechtshänder«, und er erzählte ihm von den Schlüsseln in der Tasche und den Abnutzungsspuren an den Händen.
    Scobie nickte bedächtig und konzentrierte sich dann auf das Zimmer. Challis bemerkte das und wartete.
    Schließlich zeigte Scobie auf etwas. »Auf dem Hosenaufschlag von dem Mann klebt ein wenig Blut und Hirnmasse. Von ihm stammt es nicht, der tödliche Schuss ging nach oben, also muss es von seiner Frau stammen. Wenn er hinter ihr steht und ihr in den Hinterkopf schießt, bevor er sich hinsetzt und sich erschießt, wie kommt dann ihr Blut an seine Hose? Also

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