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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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irgendwo in den italienischen Alpen unter sich begraben hatte; ein einzeln stehender Bauernhof, dessen rotes Ziegeldach wie ein zu kantig geratenes Rettungsfloß aus dem schlammigen braunen Wasser ragte und zur Zuflucht nicht nur für eine ganze Familie, sondern auch für eine kleine Menagerie aus Hunden, Ziegen, Schafen und sogar einer ausgewachsenen Kuh geworden war; der fast schon absurde Anblick einer Oase, die überlief, so dass das Wasser begonnen hatte, die sie umgebenden Sanddünen aufzuweichen und wegzuspülen; ein kleiner Hafen, in dem sich die Schiffe und Boote losgerissen hatten, so dass sie nun mit der Flut in die Stadt hineintrieben und sich etliche der größeren bereits in den Straßen verkeilt hatten; dann Bilder, die sie im ersten Moment nicht richtig deuten konnte und die gar nicht zu dem vorangegangenen Schreckenskabinett zu passen schienen: Es waren die Luftaufnahmen einer vollkommen verwüsteten Stadt, die aussah, als wäre ihr Zentrum von einer Atombombe getroffen worden. Was von den Häusern noch stand, das waren brandgeschwärzte, geborstene Ruinen, die sich um einen gewaltigen Krater gruppierten, der noch immer heiß zu sein schien, denn von seinem Grund stiegen graue Dampf- und Rauchwolken empor. Dutzende von Helikoptern kreisten über der schrecklichen Szenerie. Dann begriff sie endlich, dass die Aufnahmen die Ruinen von Las Vegas zeigten, dem Sündenpfuhl mitten in der Wüste von Nevada, den Gottes Strafgericht vom Antlitz der Erde getilgt hatte. Angewidert wollte sie umschalten, aber noch bevor sie die Hand nach dem Apparat ausstrecken konnte, wechselte das Bild. Der Monitor zeigte jetzt eine Szene, die ihr zugleich fremd und auf eine bizarre Weise vertraut vorkam: Eine schier endlose Prozession von Menschen, die schweigend und mit gesenkten Häuptern über einen großen, von Säulen gesäumten Platz marschierten und Kerzen, Windlichter oder auch einfach nur kleine brennende Scheite in den Händen hielten. Im Hintergrund war ein gewaltiger Kuppelbau zu erkennen. Sie spürte, dass sie eigentlich wissen musste, worum es sich handelte, aber ihr Blick war viel zu sehr von dem Ausdruck von Hoffnungslosigkeit und Furcht gefangen, den sie auf den Gesichtern der Menschen las, die der Kamera nahe genug waren. Das Licht war rot und flackerte. Irgendwo außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera musste ein größeres Feuer brennen, und vielleicht nicht nur eines.
    »Entsetzlich, nicht wahr?«
    Rachel fuhr erschrocken herum und blickte in De Villes Gesicht. Er hatte die Tür so lautlos geöffnet und war so leise hereingekommen, dass sie es nicht einmal gemerkt hatte. »Wie lange stehen Sie schon hier?«, fragte sie.
    »Die Menschen spüren das Ende«, sagte De Ville, als hätte er ihre Frage gar nicht gehört. Und welche Rolle spielte es auch schon? »Die Behörden tun alles, um sie zu besänftigen. Radio und Fernsehen überbieten sich seit zwei Stunden darin, eine beruhigende Meldung nach der anderen zu bringen. Aber ab einem bestimmten Punkt lassen sich die Menschen nicht mehr belügen. Sie spüren, dass das Ende da ist. Sind Sie so weit?«
    Seine Worte hatten sie so erschreckt, dass sie dem plötzlichen Gedankensprung im ersten Moment nicht einmal folgen konnte, sondern ihn nur verständnislos ansah. De Ville machte einen Schritt zurück, drehte sich in der gleichen Bewegung halb herum und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf die Tür, die er hinter sich offen gelassen hatte. Rachels Blick folgte der Geste und sie erwartete instinktiv, Uschi, Frank oder vielleicht auch nur einen von De Villes bewaffneten Männern draußen auf dem Flur stehen zu sehen, aber soweit sie erkennen konnte, war er leer.
    »Wie weit? Wofür?«
    »Jemand möchte mit Ihnen reden«, sagte De Ville geheimnisvoll. Er lächelte auf eine Art, die vermutlich aufmunternd wirken sollte, aber einfach nur traurig war. Rachel wusste nicht, ob seine Worte von gerade für die Menschen stimmten, die sie im Fernsehen gesehen hatte, aber auf ihn trafen sie ganz eindeutig zu. Noch einmal und diesmal ungleich deutlicher spürte sie, dass sie einem Mann gegenüberstand, der alle Hoffnung aufgegeben hatte und nur noch von der Erinnerung an seine frühere Stärke zehrte. Sie nickte ohne ein weiteres Wort und folgte ihm aus dem Zimmer.
    Sie gingen fast den gesamten Weg bis zum Ausgang zurück, ehe De Ville vor einer Tür stehen blieb und anklopfte. Er drückte die Klinke herunter und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten, so dass sie

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