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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sei denn, Sie wollen unsere liebe Tanja hier Jahwe nennen, oder war das Rachel?« Sie blickte mit gespielter Verwirrung von Tanja zu Rachel und wieder zurück und hob schließlich die Schultern. »Na ja, spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«
    »Sie waren es«, murmelte De Ville. »Ich habe mich nicht getäuscht. Sie waren das da draußen.«
    Uschi machte ein betroffenes Gesicht. »Ich gebe es zu. Sie sind mir doch wegen des kleinen Klapses nicht böse?«
    »Aber … aber das kann nicht sein«, stammelte Rachel. »Ich meine, wie …«
    »Wie ich schon einmal gesagt habe: Ihr habt kein Monopol auf Zeichen und Wunder. Die Gegenseite ist da auch nicht schlecht, weißt du?«
    »Aber wie kannst du noch leben?«
    »Eigentlich gar nicht mehr«, gestand Uschi. »Du hast schon Recht. Im Grunde müsste ich tot sein und eigentlich bin ich es auch. Aber wir wollen ja jetzt nicht kleinlich sein, oder« – sie lachte – »päpstlicher als der Papst, wie? In ein paar Minuten ist sowieso alles vorbei.«
    »Aber nicht du!«, wimmerte Rachel. Ihre Gedanken drehten sich immer noch wild im Kreis. Alles war plötzlich so klar, so schrecklich eindeutig, aber zumindest in diesem Moment war es genau so, wie Uschi gerade gesagt hatte: Sie verstand es nicht, weil sie es nicht verstehen wollte.
    »Aber das ist nicht möglich«, flüsterte Torben. Er kauerte in verkrampfter Haltung auf den Knien da und hatte die Hände so fest zusammengepresst, dass Blut unter seinen Fingernägeln hervorquoll, aber er betete nicht, sondern starrte Uschi an. »Wie kann es sein? Das zweite Kind war … war ein Junge. Ich weiß es genau. Ich habe ihn in Händen gehalten!«
    »Sie sollten Ihre Übersetzer rauswerfen«, sagte Uschi freundlich. »Oder es so halten wie ich und sich selbst überzeugen. Ich meine – wo steht geschrieben, dass die beiden Boten Geschwister sein müssen? Wenn ich es recht bedenke, nirgendwo.«
    »Dann war Benedikt –«, murmelte Darkov.
    – nur irgendein Balg, das Sie seinen Eltern weggenommen und aufgezogen haben«, sagte Uschi. »Nicht dass ich Ihnen böse deswegen bin. Ganz im Gegenteil. Unser ehrwürdiger Vater hier war so davon überzeugt, alles ganz genau zu wissen, dass ich mir nicht einmal Mühe geben musste, unentdeckt zu bleiben.« Sie seufzte. »Eigentlich müsste ich Ihnen dankbar sein – aber jetzt ist nicht der Moment für große Gesten, das werden Sie sicher verstehen.« Sie hob das Gewehr und richtete die Mündung auf sein Gesicht. »Es ist nicht persönlich gemeint.«
    »Und was hast du jetzt vor?«, fragte Rachel rasch. Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet, aber so etwas wie ein kleines Wunder geschah: Statt Darkov zu erschießen, was sie ganz sicher vorgehabt hatte, senkte Uschi den Gewehrlauf wieder und drehte sich zögernd zu ihr herum.
    »Das fragst du nicht im Ernst?«
    »Doch«, antwortete Rachel. »Was willst du tun? Uns alle erschießen?«
    »Das wird kaum nötig sein«, sagte Uschi. Rachel bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Benedikt mühsam wieder hochstemmte, wobei er sich alle Mühe gab, auch nicht den geringsten Laut und keine hektische Bewegung zu machen. »Ich glaube, du weißt ziemlich genau, was ich jetzt tun werde«, fuhr Uschi fort. »Ich werde dasselbe tun, was auch du getan hättest. Das, weshalb ich hergeschickt wurde. Aber wenn es dich tröstet: Ich bin froh, dass ich dich nicht erschießen muss.«
    »Das kannst du nicht«, sagte Rachel. Benedikt hatte sich mittlerweile auf die Knie hochgestemmt. Er blutete heftig aus der Nase und sein linkes Auge zuckte ununterbrochen, aber er konnte sich bewegen. »Du kannst weder mich noch Tanja erschießen«, fuhr sie fort.
    »Bist du da ganz sicher?«, fragte Uschi.
    Rachel nickte. »Ich weiß nicht genau, was du bist oder wer dich geschickt hat. Ich will es gar nicht wissen. Aber ich weiß, dass wir unser gesamtes Leben zusammen verbracht haben. Es kann nicht alles Lüge gewesen sein.«
    Benedikt spannte sich. Rachel sah ganz bewusst nicht in seine Richtung und versuchte nicht einmal, seine Bewegungen aus den Augenwinkeln heraus zu verfolgen, denn sie wusste, dass Uschi selbst dieses winzige Zeichen erkannt und richtig gedeutet hätte, aber ihr war auch schmerzhaft klar, dass Benedikt dennoch so gut wie keine Chance gegen diese unheimliche Kreatur hatte. Was vor ihr stand, das war immer noch Uschi, ihre alte Freundin, mit der sie so vieles erlebt und geteilt hatte, aber sie war nun von einer Kraft beseelt, die Unmögliches möglich machte und

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