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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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schien ihm, als musterte der stolze, kräftige Mann ein Schlachtfeld, auf dem seine besten Männer jämmerlich krepierten. Dartzow sagte kein Wort, bemühte nicht einmal sein Tuch. Während hinter ihm der spillerige Fiskal, nach Luft japsend, durch den Durchgang zu Rungholts Arbeitszimmer hastete, wandte sich Dartzow ab. Er blickte auf die Asche im Kamin, und Kerkring meinte zu sehen, wie der Bürgermeister die Augen schloss. Ein paar Atemzüge lang wurde es still. Der Regen prasselte auf den hölzernen Fensterladen, den der Büttel herausgebrochen hatte, um in die Brauerei zu gelangen. Er habe in d’ Alighieris Namen Rungholts Brauerei in Besitz nehmen und versiegeln wollen, hatte de Kraih gesagt, als er mit dem Mann im Rathaus aufgekreuzt war.
    Dartzow hatte noch immer die Augen geschlossen. Als der Fiskal etwas sagen wollte, stoppte Kerkring ihn mit einer Handbewegung. Der sollte bloß seinen Mund halten. Gib dem Mann Zeit, alles zu überdenken … Gib ihm Zeit … Komm schon, Dartzow … Das kannst du doch nicht leugnen …
    Schließlich schüttelte der Bürgermeister den Kopf, als könnte dies alles nicht wahr sein. »Nehmt ihn fest. Aber bringt ihn ins Rathaus. Er soll mir das erklären.«
    Kerkring spürte, wie ihm die Säfte wegsackten. » Erklären? «, keuchte er. »Mit allem Respekt, aber …«
    »Mit allem Respekt«, unterbrach ihn Dartzow, der sich noch immer nicht umwandte. »Vielleicht hat Rungholt auch nur nachgeforscht. Er ist zu mir gekommen, um Erlaubnis einzuholen, die Leichen aufzuschneiden.«
    »Wofür? Um sie zu essen ?«
    »Hat er nicht mit Euch geredet? Ich hätte gedacht, er springt vielleicht über seinen Schatten …«
    Kerkring schüttelte den Kopf.
    »Im Badhaus?«, warf Dartzow ein.
    Willst du mir ein Bein stellen? Kerkring watete, auf seinen Stock gestützt, hinüber und flüsterte eindringlich: »Er hat mich ins Badhaus gerufen, um mich zu erpressen, Erik. Er bot mir an, die Kinder zu verschonen, wenn ich die Aufständischen nicht weiter verfolge.«
    Endlich wandte sich Dartzow zu ihm um. »Er arbeitet mit ihnen zusammen?«
    »Weiß ich nicht. Aber zumindest will er, dass das Rathaus brennt. So wie ich das sehe, kommt ihm das Chaos ganz recht. Er will Zerstörung und den Rat zerschlagen. Er missachtet unsere Gesetze, Erik. Hat er schon immer.« Kerkring sah, wie es abermals in Dartzow arbeitete. »Wir lassen den Mann vom Kaak binden. Soll er uns bei einer peinlichen Befragung über Rungholt erzählen.«
    »Und Rungholt?«
    Gut, dachte Kerkring. Hol dir Rat bei mir. So herum ist es recht. »Er hat die Töversche mit Öl übergossen, wie wir festgestellt haben«, begann er ruhig. »Er hat sie wie eine Fackel brennen lassen. Und er hat Stücke von diesem Jungen gegessen, und nur der Allmächtige weiß, was er noch mit dem Kind angestellt hat. Denkt an das Buch. Er läuft frei durch Lübeck, Erik. Wer weiß, was er mit den anderen sechs Kindern anstellt! Sechs Kinder! Ich sage nur, denkt an das Buch. Facinora perscripta peccatoris.«
    Dartzow legte die Stirn in Falten. »Also?«
    Der Regen prasselte auf den Fensterladen. Beruhigend. Die Welt würde in diesem Wiegenlied untergehen.
    »Fredelos legen. Proscriptio. Wir verfesten ihn, tragen seinen Namen ins liber proscriptionis und sprechen ihn vogelfrei.« Für Kerkring dauerte es eine Ewigkeit, eine Ewigkeit, in der er etliche Male den Blickkontakt zum Fiskal suchte, der bereits begonnen hatte, alles auf seinem vorgeschnallten Klapptischchen mitzuschreiben, bis Dartzow nickte. »Holt den Fron«, gab der Bürgermeister die Anweisung. »Dass er drei Mal das Schwert schwingt und den jodute Schrei ausstößt. Und holt de Kraih und diesen Büttel als Zeugen.«
    Ohne ein weiteres Wort drängte sich Dartzow am Fiskal vorbei und verließ, so schnell es das Wasser zuließ, Rungholts Scrivekamere in der Brauerei. Kerkring sah ihm nach, ein feines Lächeln wollte sich auf seine Lippen schummeln, aber er kämpfte dagegen an. Niemand sollte sehen, wie er frohlockte.
    »Holt die Leute her«, befahl er dem Fiskal. »Ich will sehen, ob ich Rungholt nicht sofort dem Gericht zuführen kann.«
    Ächzend nahm Rungholt die letzte Sprosse zum obersten Dachboden, reichte Marek, der schon vorausgegangen war, das Buch des Abulcasis und seinen Stoß Ablassbriefe. Sie trieften. Die kostbare Tinte war verlaufen. Auch Rungholts Beinlinge waren klatschnass, denn er hatte bis zur Hüfte im Wasser gestanden. »Hast du die Lampe?«
    Sinje reichte sie ihm. Ihr war es

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