Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
Vom Netzwerk:
sich, aber es gelang ihm, sich schnell ins Bett zu zwängen. Seine wurstigen Finger versuchten vergeblich, den Schrank zu schließen. Eine Tür war zu, aber die zweite konnte er nicht heranziehen. Es gab keinen Griff im Innern.
    Notgedrungen ließ er sie, genau wie die Kammertür, einen Spalt auf. Er horchte und spürte, wie ihm der Hals kratzte. Wenn du hustest, brech ich dir das Genick, ermahnte er sich selbst und versuchte, gleichmäßig durch die Nase zu atmen. Er lag auf Decke und Hanfsack. Nicht unbequem, nur viel zu staubig.
    Marek horchte. Da war nichts. Kein Laut drang aus dem Fass. Nicht mal ein Schaben oder Husten. Kein Weinen, keine Schreie. Aber das hatte nichts zu sagen, bei dieser Größe waren die Daubenbretter, um dem Druck des Weins standzuhalten, sicher gewaltig.
    Sollte Marek der Wache einen Wink geben, sollte er zu dessen Kumpan hinübereilen und ihm … Ja, was? Was sollte er ihm erzählen? Dass sie den Wagen im Hof eines Böttchers gesehen hatten und er heimlich mitgefahren war. Dass der Wagen mit Pech besudelte Räder hatte, Muschelstaub daran klebte und sie deswegen vermuteten, es könne ein Kind darin gefangen sein?
    »Dumm Tüch«, beantwortete er seine eigenen Fragen leise und rutschte vom Karren.
    Vorsichtig spähte er zum Inneren Holstentor. Der mächtige, rechteckige Turm ragte ins Regengrau. Auf der Galerie patrouillierten drei Stadtwachen. Marek konnte sogar einen Armbruster erkennen, der – anstatt zum Fluss – in die Stadt zielte. Die Flagellanten passierten den Karren, und Marek sah, wie der zweite Wachhabende angesichts der Schar blutender Mönche Hilfe suchend zu seinem Kumpan schaute.
    »Für Reinfeld«, hörte er Poling erklären.
    »Schon klar. Wie jede Woche. Von mir aus könnt Ihr öfter kommen.«
    »Es wird das letzte sein. Deswegen habt besonderen Dank für Eure Mühe … und Euer Schweigen.« Münzen klimperten, als der Lenker ein Geldbeutelchen vom Dupsing band und der Wache zuwarf. Grinsend steckte der Mann den Beutel in sein Wams und wandte sich zum Zug der Mönche und seinem Freund um.
    »Der Wagen hat Vorrang«, rief er. »Diese Heilsverdreher sollen warten.«
    Er nickte Poling zu, der schon wieder auf den Bock gestiegen war.
    Marek spähte zu den Mönchen, zum Tor und zu den Wachen. Er konnte sich unmöglich einfach hinten auf den Wagen setzen. Eilig ließ er sich auf die Knie fallen und rutschte im Schlamm darunter. Am liebsten hätte er laut geflucht, als Wasser und Dreck in seine Beinlinge eindrangen und seine Stiefel fluteten. Auf dem Rücken liegend sah er sich nach einem Halt um, konnte aber lediglich ein paar größere Astlöcher im Boden erkennen. Alle vier Räder lagerten in dicken Klötzen. Es gab keine Achse.
    Er krallte sich mit beiden Händen in die Löcher, zog sich nur mit wenigen Fingern unter den Boden und stemmte seine Füße an die Achskästen. Spätestens jetzt wurde ihm klar, warum nicht Rungholt auf den Wagen gesprungen war.
    Da zogen die Ochsen mit einem Ruck an. Fast hätte er den Halt verloren, sein rechter Fuß rutschte vom Kasten, und er schleifte durch den Schlamm, bevor er ihn wieder ans Holz pressen konnte. Seine Trippe war vom Stiefel gerutscht und lag, gut sichtbar, im Modder. Helles Birkenholz im schwarzen Schlamm. Marek richtete ein Stoßgebet zum Himmel und hielt den Atem an, als sie die beiden Wachen passierten und durch das haushohe Tor rollten.
    Die schweren Räder knirschten auf der Brücke, die über die Trave führte, und bogen die Bretter durch. Normalerweise herrschte an allen Toren reger Betrieb. Händler kamen und gingen, Bauern strömten morgens in die Stadt und abends hinaus, Viehhändler, Gaukler und Tagelöhner passierten dieses Tor, das Lübeck im Westen mit der Welt verband.
    Doch heute war es auf der Brücke vor der Stadt gespenstisch still. Sie waren die Einzigen, die darauf fuhren. Niemand kam ihnen entgegen, und die Büßer mussten noch immer am Tor ausharren. Die meisten hatten ihre Schenkel mit Dornenkränzen umwickelt. Selbst beim Warten ließen sie ihre Geißeln und Peitschen auf ihre zerschundenen Rücken klatschen. Marek sah zwischen seinen Füßen hindurch, wie die Truppe im Regenschleier langsam zu bloßen Schatten wurde. Ihr Lied ging im Rauschen der Trave unter.
    Er griff noch einmal nach und blickte zur Seite. Unter ihnen rollte der Fluss in einem steten Grau dahin. Er war auf die doppelte Breite angeschwollen, hatte weite Teile des Hafens überflutet und leckte mit seinem Wasser direkt an der

Weitere Kostenlose Bücher