FOOD CRASH
Forscher aus allen möglichen anderen Disziplinen zur Mitarbeit eingeladen werden. Es ist Zeit, dass in Deutschland ein
Max-Planck-Institut für ökosystemare Agrarforschung
gegründet wird!
Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, welche Felder ein solches Institut zu beackern hätte, finden Sie im Anhang dieses Buches ein Papier, das Prof. Urs Niggli zusammen mit Alexander Gerber als Vorlage für ein Gespräch verfasst hat, das wir mit der deutschen Forschungsministerin Schavan im Sommer 2010 geführt haben. [141]
Die kleine, aber wirkungsvolle Maßnahme einer Kantinenverordnung und das große Feld der Forschungspolitik beschreiben die Bandbreite, innerhalb derer politische Maßnahmen erforderlich sind, um ein Umsteuern von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu erreichen. Ich will noch ein paar andere Politikbereiche benennen, ohne sie so ausführlich zu beschreiben, wie das bei den beiden vorangegangenen der Fall war.
Wenn es um die bereits beschriebene
Bebauung landwirtschaftlicher Flächen
geht, die heute noch über 100 Hektar täglich aus der Produktion nimmt, so müssen mehrere Hebel bedient werden. Die
Grunderwerbssteuer
muss so gestaffelt werden, dass die Herausnahme von Landwirtschaftsfläche umso teurer wird, je fruchtbarer der Boden ist, der zugebaut werden soll. Die
Gewerbesteuer
steht auch aus ganz anderen fiskalpolitischen Erwägungen als wichtigstes Finanzierungsinstrument der Kommunen in der Kritik. Sie ist aber auch deshalb eine fragwürdige Steuer, weil sie dafür verantwortlich ist, dass ein Gemeindeparlament höchstes Interesse daran hat, Acker- in Bauland umzuwandeln – egal, wie gut es sich für die Nahrungsmittelproduktion eignen würde. Deshalb sind die Anreize so zu setzen, dass sowohl Investoren wie auch die Kommunen ein Interesse daran haben, dass platzsparend gebaut wird und dass mit Vorrang solche Flächen bebaut werden, die ohnehin keinen oder nur geringen landwirtschaftlichen oder auf andere Weise ökologischen Nutzen haben. Diesem Ziel muss auch die
Ausgleichsregelung
dienen. Die funktioniert, grob gesprochen, heute so, dass für jeden Quadratmeter, der bebaut wird, ein weiterer Quadratmeter aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen wird, um ihn durch Nichtnutzung ökologisch »aufzuwerten«. Nun ist nicht zu bestreiten, dass auch in besten Ackerbaulagen die Anlage von Hecken oder Rainen einen zu begrüßenden ökologischen Zugewinn bringen. Denn schließlich sind sie auch Wohnung für Nützlinge und Erosionsbremsen gegen Wind und Wasser. Wenn aber Hektar um Hektar in Streuobstwiesen umgewandelt wird, die nicht gepflegt und nicht genutzt werden, dann wäre es besser, wertvolle Ackerflächen in der Produktion zu lassen und den Ausgleich für die Bebauung anderer Flächen dadurch herzustellen, dass man sie auf Dauer durch ökologische Bewirtschaftung aufwertet.
Auch das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (
EEG
)
in Deutschland und vergleichbare Gesetze in anderen Ländern sind Hebel, mit denen die Kapazität, Lebensmittel zu erzeugen, wirkungsvoll gesteuert werden kann. An die Stelle der massiven Subventionierung von Energiepflanzen-Monokulturen, vor allem Mais, muss ein Anreiz gesetzt werden, Abfallprodukte der Nahrungserzeugung, Gülle und Mist aus den Ställen und sonstige Reststoffe zu verwerten. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass ausreichend organische Reststoffe für die Rückführung in den Boden zur Verfügung stehen, um Humusabbau und eine Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit zu vermeiden.
Am deutschen Wesen …
Berlin, Dezember 2009. Ich bin von einer großen kirchlichen Entwicklungsorganisation zu einer Tagung eingeladen worden, in der wir besprechen wollen, mit welchen Zielen und Schwerpunktsetzungen Entwicklungshilfe in der Landwirtschaft arbeiten soll. Zu Beginn wird durch den Chef der Organisation ein Brief des Chefs eines großen deutschen Chemiewerkes verlesen. Brief von Chef an Chef, sozusagen. Sinngemäß heißt es da, nach ein paar freundlichen einleitenden Sätzen:
»Wenn Ihre Organisation glaubt, ökologischen Landbau in Entwicklungsländern predigen zu sollen, dann sollten Sie sich nicht wundern, wenn Ihre Spendengelder ausbleiben.«
Freundlichst, Ihr Chef. Diese Ansage war deutlich. Und eigentlich auch gar nicht so jenseits des Normalen, denn schon immer hat deutsche Entwicklungshilfe (und die anderer Staaten nicht weniger) danach gefragt, welche Exportchancen für die eigene Wirtschaft sich durch diese Hilfe ergeben. Deutschland ist ein
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