FOOD CRASH
die Förderung eines Ernährungsverhaltens und einer landwirtschaftlichen Produktion, wie sie für die langfristige globale Ernährungssicherung erforderlich sind. Das will ich durch konkrete Maßnahmenvorschläge illustrieren:
Solange Einkommensübertragungen in Form von Direktzahlungen erfolgen, müssen diese an die Erfüllung ökologischer Mindeststandards geknüpft werden. Einer davon muss ein
Mindestanteil an Leguminosen in der Fruchtfolge
sein. Das würde nicht nur zur Anhebung der Bodenfruchtbarkeit und Verminderung des Einsatzes von energieintensiv hergestelltem künstlichem Stickstoff führen. Es würde auch zur Reduzierung der Sojaimporte und damit des Drucks auf den südamerikanischen Urwald beitragen.
Betriebe, die sich darauf verpflichten, ihre Tiere ausschließlich mit selbsterzeugtem Eiweißfutter zu füttern, sollten eine
Selbstversorgerprämie
erhalten
.
Diese Maßnahme würde die Intensität der Tierhaltung reduzieren, weil in solchen Betrieben nur noch betriebseigene Flächen für die Eiweißerzeugung zur Verfügung stehen würden. Sie setzt somit einen Anreiz für einen geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreislauf. Für Bauern, die Rinder oder andere Wiederkäuer halten, wird dadurch das Grünland interessanter, weil es wirtschaftlicher wäre, das in Kräutern und Gräsern enthaltene Eiweiß zu nutzen.
Neben der Wirkung, die eine solche Maßnahme auf den Import von Eiweißfuttermitteln, den Stickstoffkreislauf und die Überschusssituation auf dem Milchmarkt hat, ergeben sich Folgen für den einzelnen Betrieb. Schon heute gibt es Biobetriebe, die ausschließlich aus dem Grundfutter Milch erzeugen (also ohne Getreidezufütterung). Einer von ihnen ist Johannes Brenner, Biobauer aus der Nähe von München. Die augenscheinlichste Folge ist für ihn eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Fruchtbarkeit der Tiere. Seine Motivation für diese Wirtschaftsweise bringt er auf einen sehr klaren Punkt: »Mein Ziel ist es, den Betrieb so einfach wie möglich zu bewirtschaften. Ich will mir auch als Landwirt ein Stück Lebensqualität erhalten.« [136] Und deshalb sieht er den Tierarzt lieber beim Skatspielen in der Wirtschaft als alle naselang in seinem Stall. Wirtschaftlich interessant ist das Ganze für ihn, weil seine Kühe im Schnitt immerhin 5000 Liter im Jahr geben. Das sind zwar nur 70 % des bundesdeutschen Durchschnitts. Aber dafür erhält er den höheren Biomilchpreis und hat deutlich weniger Kosten für Futter und für die Tiergesundheit. Am wichtigsten aber: Seine Kühe geben ihre Milch mehr als doppelt so viele Jahre lang wie im durchschnittlichen konventionellen Betrieb. Eine jahrzehntelange Zuchtauslese auf stabile Gesundheit und Langlebigkeit (statt auf maximale Milchleistung) und der Verzicht auf leistungssteigerndes Kraftfutter haben das möglich gemacht. Auf diese Weise ist der Anteil der »unproduktiven« ersten zwei Jahre – bis eine Jungkuh ihr erstes Kalb auf die Welt bringt – am Gesamtleben der Kuh erheblich geringer.
Wie relevant die Art der Fütterung für die Tiergesundheit und darüber hinaus sogar für die der Menschen ist, zeigt sich an einem Thema, das im Frühsommer 2011 die Bundesrepublik wochenlang in Atem hielt: Die wegen ihrer stark gesundheitsgefährdenden Toxin-Ausscheidung gefürchteten Ehec-Bakterien bilden sich vor allem im Verdauungstrakt von Rindern, die mit Kraftfutter auf hohe Leistungen getrimmt werden. Frisst das Rind nur das, wofür sein Verdauungstrakt vorgesehen ist, also Gras und anderes Rauhfutter, wird dort der Säuregrad (pH-Wert) so ungünstig für die gefährlichen Bakterien, dass sie sich kaum vermehren können.
Zu alledem gibt es auch noch eine Wirkung auf die Qualität der Milch. Gesundheitsförderliche Omega-3-Fettsäuren steigen bei zunehmendem Rauhfutteranteil in der Ration an, und nicht wenige Menschen, die Milch nicht vertragen, berichten davon, dass ihnen »Heumilch« keine Probleme bereitet. Hier wird nicht nur auf Getreidezufütterung verzichtet, sondern auch auf die Verabreichung von Silage [137] . Weil man Silage mit noch feuchtem Erntegut herstellen kann, Heu aber nur lagerfähig ist, wenn es wirklich ganz trocken ist, stellt das den Bauern vor nicht geringe Herausforderungen. Aber die erfolgreichen Heumilchprogramme in Österreich zeigen, dass es ein starkes Verbraucherinteresse gibt, das sich in entsprechend höheren Preisen niederschlägt. Dadurch ergibt sich für einen Teilbereich der Selbstversorgerprämie die
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