FOOD CRASH
Pflanzenzüchtung einen Beitrag leisten könne, der sei jedoch allenfalls mit 10 % anzusetzen. Es mag sein, dass er das künftige Potenzial sehr vorsichtig eingeschätzt hat. Eindeutig ist aber, dass der aktuelle Beitrag der Agro-Gentechnik den Anteil von 0 % noch nicht überschritten hat. Dazu muss man wissen, dass weltweit nach wie vor praktisch nur
vier
Pflanzen in gentechnisch veränderter Form im Praxisanbau stehen. Und dass trotz jahrzehntelanger Entwicklung dieser Praxisanbau nach wie vor von nicht mehr als zwei gentechnisch erzeugten Eigenschaften geprägt ist, die in keiner Verbindung zu Ertragssteigerung oder der Anpassung an schwierige klimatische Anbaubedingungen stehen.
Die vier am häufigsten angebauten Gentech-Pflanzen sind Sojabohnen (52 %), Mais (31 %), Raps (5 %) und Baumwolle (12 %) – sie nehmen weltweit etwa 148 Millionen Hektar und damit 10 % der globalen Landwirtschaftsfläche ein, und ihr Anbau konzentriert sich auf sechs Länder: USA , Brasilien, Argentinien, Indien, Kanada, China. [88] Sojabohnen und Mais dienen im Wesentlichen als Tierfutter. Bei der Baumwolle werden die Fasern der Frucht zur Herstellung von Textilien und der Samen ebenfalls für Tierfutter verwendet. Raps wird sowohl zu Treibstoff als auch zu Speiseöl verarbeitet.
Durch das Einfügen von Gensequenzen in die Erbsubstanz dieser Pflanzen werden in immer neuen Kombinationen zwei verschiedene Eigenschaften (sogenannte »traits«) erzeugt.
Für den ersten Trait wird eine Sequenz aus dem Erbgut des auch natürlich vorkommenden Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) verwendet, weshalb man hier von »Bt-Technologie« spricht. Durch die gentechnische Veränderung produziert die Pflanze in allen ihren Zellen das Bt-Toxin. In der Natur wird dieses Insektengift nur durch das Bakterium erzeugt. Insekten, die diese Pflanze dann anbohren oder anfressen, nehmen das Gift auf und gehen ein. Neben dem grundsätzlichen Bedenken, dass jede gentechnische Veränderung unerwartete Effekte mit sich bringen kann, durch die die Pflanze eine Wirkung hat, die nicht beabsichtigt war, stehen zwei mögliche und in Studien und Experimenten auch nachgewiesene schädliche Effekte in der Diskussion. Der eine ist die Beeinträchtigung von Insekten, die gar keine Schädlinge sind – sogenannte Nichtzielorganismen wie Bienen, Schmetterlinge oder in aquatischen Systemen lebende Organismen, die Pflanzenteile oder Pollen aufnehmen, die das Bt-Gift enthalten. Eine solche Wirkung ist der Grund, weshalb die bis dato in der EU einzig zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze – Monsantos Gentech-Mais »MON810« – wie bereits in sechs weiteren EU-Staaten auch in Deutschland seit April 2009 mit einem Anbauverbot belegt ist.
Der zweite Effekt betrifft die Gesundheit von Nutztieren oder Menschen, die Bt-Mais zu sich nehmen. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ( EFSA ), die für die Zulassung von Gentech-Pflanzen zuständig ist, hat zwar auf der Grundlage von Studien, die ihr vom Antragsteller, der amerikanischen Firma Monsanto, zur Verfügung gestellt wurden, dem Bt-Mais Unbedenklichkeit bescheinigt. Es gibt aber andere Studien, bei denen sich negative Effekte auf innere Organe von Versuchstieren zeigten. Und da in vielen Ländern des Südens die Diät der ärmeren Bevölkerung nahezu ausschließlich aus Mais besteht, sind die Menschen dort von solchen Risiken sehr viel unmittelbarer berührt als in unseren Breiten, wo Mais kaum direkt, sondern auf dem Umweg über den Tiermagen konsumiert wird. Mittlerweile stammen zwar 29 % der weltweiten Maisproduktion aus gentechnisch veränderten Sorten [89] – davon ist aber Speisemais praktisch noch nicht betroffen.
Die zweite dominierende gentechnisch erzeugte Eigenschaft besteht darin, dass Pflanzen gegen ein Total-Herbizid unempfindlich gemacht werden. Ein solches Herbizid tötet alle anderen Pflanzen ab. Auf dem Acker bleibt deshalb nur die Pflanze stehen, die das Roundup-Konstrukt trägt. Das gebräuchlichste Total-Herbizid heißt »Roundup«; es beinhaltet den Wirkstoff
Glyphosat
und wird, ebenso wie das zugehörige Gentechniksaatgut, vom US-Multi Monsanto vertrieben.
Der Haupteinwand gegen diese gentechnische Eigenschaft ist – über die obengenannten grundsätzlichen Bedenken hinaus – ein ökologischer: Wo jede Pflanze außer der einen vernichtet wird, finden auch andere Lebewesen keine Existenzbedingungen mehr vor. Man muss nicht Insektenkundler oder Professor für
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