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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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abführen. Das gilt allerdings nicht für das Saatgut, das Bauern und Bäuerinnen selbst züchten und untereinander austauschen. Denn das Sortenschutzrecht führt zwar dazu, dass dem Züchter der Aufwand für seine Züchtung zurückerstattet wird, es lässt aber zwei wichtige Freiheiten: Die erste ist das »Landwirteprivileg«. Es besagt, dass jeder Bauer frei darüber entscheiden kann, ob er aus seiner Ernte Saatgut für die nächste Aussaat abzweigen möchte
(Nachbau)
. Die zweite ist das »Züchterprivileg«. Es gibt jedem Saatgutzüchter das Recht, auf alle verfügbaren Sorten zurückzugreifen, wenn er mit ihrer Hilfe durch Kreuzung und Rekombination eine neue Sorte entwickeln möchte. Dieses System kann man mit einer »OpenSource-Software« vergleichen, bei der jeder auf den Quellcode zurückgreifen und damit eine Anwendung verbessern kann. Es hat einen wesentlichen Anteil daran, dass in den letzten Jahrzehnten ein so gewaltiger Fortschritt in der Leistungsfähigkeit unserer Nutzpflanzen erreicht wurde.
    Bei gentechnisch veränderten Pflanzen gilt ein anderes Rechtssystem. Sie werden als Erfindungen deklariert und sind deshalb mit Patenten belegt. Und da sich das Patentrecht grundsätzlich vom Sortenschutz unterscheidet, entfällt sowohl das Züchter- wie auch das Landwirteprivileg [91] . Ein Landwirt, der von dem Getreide, das er auf seinen Feldern geerntet hat, etwas übrig behalten und für die nächste Aussaat verwenden möchte, macht sich ebenso strafbar wie ein Züchter, der in seine Kreuzungen eine solche Gentechnikpflanze einbaut. Dass dies vom Patentinhaber rigoros eingefordert wird, zeigen nicht nur die Verträge, die Landwirte unterschreiben müssen, wenn sie z.B. GVO -Mais anbauen wollen. Insbesondere Bauern in den USA und in Kanada haben schon sehr konkret erlebt, wie rabiat die Firmen ihre Ansprüche durchsetzen.
    Die Firmen? Die Firma, muss man besser sagen. Denn wohin auch immer man blickt, wenn es um Agro-Gentechnik geht, man stößt immer auf denselben Konzern: den international agierenden Konzern Monsanto aus St. Louis im US -Bundesstaat Missouri. Er verfügt über die Patente an fast allen Gentechnik-Traits, die weltweit in Nutzpflanzen eingebaut worden sind. Monsanto hat seinen Einfluss noch dadurch erhöht, dass das Unternehmen seit 2007 eng mit der Pflanzensparte des deutschen Chemieriesen BASF , der zu den am meisten in der Agro-Gentechnik engagierten Konzernen der Welt gehört, kooperiert.
    Es wurde oben schon darauf hingewiesen, dass die Unkrautvernichter, die im Doppelpack mit dem Saatgut für herbizidresistente Gentechnikpflanzen vertrieben werden, ebenfalls aus dem Hause Monsanto stammen. Dadurch ist nahezu jeder Bauer, der diese Pflanzen anbaut (oder mitunter sogar solche, die das Pech haben, dass ihre Äcker mit Gentechnikpollen verunreinigt werden), jener amerikanischen Firma zu Tribut verpflichtet, die ein Vorstandsmitglied des größten deutschen Pflanzenzüchters mir gegenüber einmal als eine »Anwaltskanzlei mit angehängtem Saatgutgeschäft« bezeichnet hat. Schlimmer aber noch: Keiner dieser Bauern kann, wenn eine Ernte einmal schlecht ausfällt oder er aus sonstigem Grund wenig Bargeld zur Verfügung hat, die selbsterzeugten Samen zum Nachbau verwenden.
    Indische Umweltaktivisten weisen darauf hin, dass sich schon Tausende von Bauern umgebracht hätten, weil sie diese Abhängigkeit in den wirtschaftlichen Ruin getrieben habe. Das bestreitet Monsanto, und auch eine Studie der Uni Göttingen hält diese Schlussfolgerung für falsch, weil es die fürchterlichen Selbstmordwellen unter indischen Kleinbauern schon vor der Einführung von Gentechnikbaumwolle – um die geht es hier – gegeben habe. Ich verfüge über keine Informationen, die es mir erlauben zu entscheiden, ob Inder wie die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, hier recht haben oder der Göttinger Professor. Eines ist aber sicher: Die Selbstmorde sind die Folge eines Agrarsystems, das auf kapitalintensiven Input statt auf die eigenen Kräfte der Bauern setzt. Weil sie wenig Land und keine Bargeldreserven haben, leihen sie sich Geld von örtlichen Wucherern, um damit Saatgut, Spritzmittel und Dünger zu kaufen. Geht alles gut, können sie den Kredit tilgen oder lösen ihn durch einen Teil der Ernte ab. Kommt aber eine Missernte dazwischen, fällt das System in sich zusammen. Und in Verzweiflung und Scham darüber, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können, stürzen sie sich in den Tod –

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