FOOD CRASH
nichts mehr hergab, um sie dann aufzugeben und eine neue aus dem Wald herauszuroden. Als es keine unkultivierten Flächen mehr gab, musste die verlorene Fruchtbarkeit durch Dünger wiederhergestellt werden; ein Weg, der sich als ebenso teuer wie erfolglos herausstellte. Erst eine Umstellung auf das neue, ökologische Konzept führte zur Stabilisierung der Erträge auf einem zwei- bis dreifach höheren Niveau.
Dass diese Umstellung ganz ohne Geschenke und Subventionen erfolgte, wird nur
der
als Überraschung verstehen, der in Haiti gearbeitet hat. Denn dort ist ein ganzes Volk dazu erzogen worden, jede Aktion auf den Empfang von Unterstützung hin zu optimieren. Die Erfahrung hat die Menschen gelehrt, dass es im Zweifelsfall immer jemanden gibt, der einem einen Job, Unterstützungszahlungen oder doch wenigstens »food for work«, also Nahrungsmittelhilfe gegen Arbeit, verspricht, um Entwicklungsfortschritt zu erzielen. Denn schließlich brauchen ja auch Entwicklungshelfer Erfolgserlebnisse, die sich in Berichten an Geld- und Auftraggeber auflisten lassen. Dass es hier »nur« die Belohnung durch gute, vielfältige Ernten und einen lebendigen Boden gab, stellt einen nicht zu unterschätzenden soziologischen Erfolg dar: die Unterbrechung der Logik von Hilfsprojekten und Subsidien.
Philippe Teller bezeichnet
Agroécologie
als eine Anwendung von neuen Techniken, die von der modernen Tropenlandwirtschaft entwickelt worden sind, aber auch als eine Wiederentdeckung und Neuausformung von erfolgreichen Erfahrungen, die in Lateinamerika vor der Kolonialzeit und in Haiti im traditionellen »kreolischen Garten« gemacht worden sind.
In der praktischen Umsetzung heißt das:
Erntereste dürfen nicht – wie sonst generell als Vorbereitung für die Bodenbearbeitung üblich – verbrannt werden. Sie müssen entweder für die Bereitung von Kompost genutzt oder in den Boden eingearbeitet werden.
Schutz der Flächen vor Erosion durch entsprechende Bodenschutzmaßnahmen.
Sicherstellung der Wasserversorgung und der Bodenfeuchtigkeit ohne aufwendige Bewässerungstechnik. Die (in diesen Breiten oft sehr heftigen) Niederschläge dürfen nicht auf unbedeckten Boden treffen. Durch biologische und teilweise mechanische Maßnahmen muss das Regenwasser zum Versickern gebracht werden, damit es für die Wurzeln und die Neubildung von Grundwasser zur Verfügung steht und keine Bodenpartikel fortschwemmt.
Anreicherung des Bodens durch Zufuhr organischer Masse wie Mist, Kompost oder mit Hilfe von Gründüngung [98] .
Optimale Ausnutzung der Fläche, des Lichts und des durchwurzelbaren Bodens, indem Bäume, Büsche und Feldfrüchte so kombiniert werden, dass ihre Wuchshöhen und ihre Wurzelformen aufeinander abgestimmt sind.
Optimale Verteilung der Aussaattermine und der verschiedenen Ackerfrüchte, damit über den gesamten Jahresverlauf geerntet werden kann.
Der Boden darf Sonne und Witterung zu keinem Zeitpunkt unbedeckt ausgesetzt werden. Das erfordert eine Mehr-Etagen-Bepflanzung und eine raffinierte Kombination aus Wurzelfrüchten, aufrechten und kriechenden oder rankenden Pflanzen.
Anbau möglichst vieler Bäume und Büsche, die den Bedürfnissen der Menschen angepasst sind: Bäume, die Früchte tragen, Futter, Bau- und Brennholz liefern, und solche, die als Leguminosen die Bodenfruchtbarkeit fördern. Sie alle müssen je nach den Gegebenheiten in das System eingebaut werden: als lebende Hecken zur Einfriedung von Parzellen, als Streuobst, als Erosionsschutzhecken entlang der Höhenlinie, als Windschutz, als Futterreserve in der Nähe der Pferche, in denen die Tiere gehalten werden.
Tiere müssen in einem Bereich gehalten werden, in dem ihr Mist für die Kompostbereitung gewonnen werden kann. Auf diese Weise werden sie auch daran gehindert, Schaden in den anderen Kulturen anzurichten – was ein generell großes Problem darstellt.
Weideflächen dürfen nicht übernutzt werden, um nicht erosionsanfällig zu werden. Der ausreichende Anbau von Futterpflanzen verhindert, dass der Druck auf die Weide zu stark wird.
Die richtigen Prioritäten setzen
Ich habe Landwirtschaft mit der Fachausrichtung Betriebswirtschaft studiert und erinnere mich, dass das zentrale Kriterium für die Organisation eines Betriebes der
Deckungsbeitrag
war: Er gibt an, wie viel pro Hektar (oder auch je Arbeitsstunde) übrig bleibt, wenn ich die variablen Kosten vom Ertrag abgezogen habe. Aus diesem Deckungsbeitrag sind dann die Kosten zu bezahlen, die meinem
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