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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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sondern sind voll Stolz, Landwirte zu sein. »Wenn man verstanden hat«, sagte mir ein Berater aus Carice, »dass man mehr damit verdient, auf seinem Hof zu bleiben, als in die Dominikanische Republik abzuwandern – dann ist die Sache gewonnen!«

MASIPAG  –
Eine philippinische Erfolgsgeschichte
    Wenn Kleinbauernprojekte zu nachhaltiger Ernährungssicherung beitragen sollen, gleichzeitig die Selbstbestimmung der bäuerlichen Familien gewahrt und die erforderliche natürliche Ressourcenbasis gestärkt werden sollen, liegt der Schlüssel für den Erfolg in der Frage, von wem Initiative und Trägerschaft ausgehen. Diese Projekte funktionieren nicht, wenn aus Europa, aus der Hauptstadt oder aus wissenschaftlichen Instituten Experten zu den Bauern kommen, um ihnen das Modell einer aus ihrer Erkenntnis fortschrittlichen Landwirtschaft anzubieten. Mitunter gibt es zwar durchaus vorzeigbare Erfolge, die sich auf den zweiten Blick aber als erkauft erweisen: mit dem massiven Einsatz von Entwicklungshilfegeldern und Beratungsdienstleistung wird etwas umgesetzt, von dem mit Ablauf der Projektlaufzeit meist wenig übrig bleibt.
    Denn dann fehlt es immer noch – wenn auch nicht ausschließlich – an der Verankerung in den gesellschaftlichen Strukturen derjenigen, um die es geht. Auf eine solche Weise ist es auch nicht möglich, die Erkenntnisse und Erfahrungen der Kleinbauern selbst nutzbar zu machen.
    Weshalb das wichtig ist, kann man sich mit einer ganz einfachen Überlegung verdeutlichen: Ich, Felix Löwenstein, bin ein Agrarexperte. In erster Linie zwar für Südhessen, aber ich habe schon viel von der Landwirtschaft in den Ländern des Südens mitbekommen, inhaltsschwere Gespräche geführt und umfangreiche Abhandlungen studiert. Ich wäre deshalb auch in der Lage, einem philippinischen Kleinbauern sehr viele beherzigenswerte und gescheite Ratschläge zu erteilen. Würden Sie mich aber samt meiner Familie auf seine 1,5 Hektar Land setzen, mir in die Hand drücken, was ihm zu ihrer Bewirtschaftung zur Verfügung steht, mir viel Glück wünschen, den Kleinbauern auf eine ausgedehnte Reise mitnehmen, um mich allein zurückzulassen – ich gäbe mir und meiner Familie keine zwei Monate zum Überleben. Daraus schließe ich, dass die Bauernfamilie, die schon ein Leben und viele Generationen lang, wenn auch meist mehr schlecht als recht, auf ihrem Hof überlebt hat, Dinge kann und weiß, die ich nicht weiß und kann. Obwohl der Bauer nicht studiert hat und vielleicht nicht einmal lesen und schreiben kann.
    Wenn das so ist, dann ist es sehr unvernünftig, mit einer Haltung auf die Bauern zuzugehen, die sie auffordert, meine Erfahrung und Kenntnisse zu übernehmen und anzuwenden – und seine eigenen zu vergessen. Aber obwohl das unvernünftig ist, hat es doch jahrzehntelang die Art und Weise geprägt, wie landwirtschaftliche Beratung und Entwicklungshilfearbeit geleistet wurde und oft noch bis heute geleistet wird.
    Eine Zusammenarbeit, die das Wissen und die Erfahrung der Kleinbauern – und hier explizit auch der Bäuerinnen – nutzen und entwickeln will, setzt deshalb voraus, dass der Experte bereit ist, erst einmal
sein
Expertenwissen zu »verlernen«, um für das der anderen offen zu sein und sich eher als Vermittler zu sehen und Lernräume zu schaffen. Es gibt, wie für alles, auch für diesen Ansatz schöne Fachworte:
people-led development
 – von der Bevölkerung selbst geführte und gesteuerte Entwicklung. Und
farmer empowerment
 – Bauern in die Lage versetzen, ihre eigenen Stärken zu entwickeln.
    Mit dieser Grundhaltung wird versucht,
Agroécologie
in Haiti zu entwickeln; und mit derselben Methode arbeiten kirchliche und nichtkirchliche Organisationen am buchstäblich anderen Ende der Welt: auf den Philippinen. Im Jahr 1985 hat dort etwas begonnen, was heute eine über die meisten der vielen Inseln dieses Staates verbreitete Initiative geworden ist: MASIPAG . Der Name
Magsasaka at Sieyentipiko para sa Pag-unlag ng Akrikultura
steht für eine Partnerschaft zwischen Bauern und Wissenschaftlern. Deren gemeinsames Ziel ist die landwirtschaftliche Entwicklung. Ursprünglich ging es darum, auf der Grundlage der traditionellen Sorten eigene, an die lokalen Bedingungen angepasste Reissorten zu züchten. Die im Zuge der »Grünen Revolution« eingeführten Hochertragssorten (High Yield Varieties, HYV ) schienen zwar zunächst zu halten, was ihr Name versprach, doch nur da, wo der Aufwand an Düngemitteln und

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