FOOD CRASH
Pestiziden hoch genug und die Witterungsbedingungen passend waren. Die notwendigen Voraussetzungen passten allerdings nicht zu den Erfahrungen der Bauern vor Ort. Einerseits waren die beschriebenen Bedingungen oft nicht gegeben. Darüber hinaus trieb das Erfordernis, teure Betriebsmittel zu kaufen, viele in die oben bereits ausgiebig besprochene Schuldenfalle.
Auf den Philippinen ist geradezu idealtypisch gegeben, was ich anhand globaler Zahlen schon dargestellt habe: 73 % der Einwohner leben auf dem Land, und dort finden sich auch die Menschen, die hungern und auch sonst am Existenzminimum leben. Das wesentliche Grundnahrungsmittel ist Reis. Für die Ärmsten der Armen stellt er überhaupt das einzige Nahrungsmittel dar.
Trotz der großen Bedeutung des Reisanbaus hat die philippinische Regierung über Jahrzehnte vor allem auf den Export für den Weltmarkt durch große Plantagenunternehmen gesetzt, statt die bäuerliche Nahrungsmittelproduktion für den heimischen Markt zu stärken. In der Welternährungskrise von 2008 hat sich gezeigt, dass diese Politik die Menschen auf den Philippinen, die an der Armutsgrenze leben, extrem verwundbar für Schwankungen der Reispreise macht. Denn wer keine Souveränität über die Produktion der eigenen Nahrungsmittel hat, hängt von den Rohstoffbörsen der globalisierten Welt ab. Außerdem führten die einseitige Förderung der oben beschriebenen Hochertragssorten und die Subventionierung von Düngemitteln dazu, dass viele Bauern ihre traditionellen, lokal angepassten Anbauweisen aufgaben. Damit wurden selbst sie anfällig für jede Art von Krise, sei es durch Klimaveränderungen, steigenden Schädlingsdruck oder steigende Rohölpreise.
Als Ergebnis einer im Juli 1985 veranstalteten Konferenz zu Fragen des Reisanbaus brachten Bauern 47 traditionelle Reissorten in ein Zuchtprogramm ein, mit dem eigene MASIPAG -Linien entwickelt werden sollten. Nur ein Jahr später begannen auf einer neu eingerichteten Versuchsfarm die Züchtungsarbeit und auch die Entwicklung umweltverträglicher, an natürliche Regelungsmechanismen angepasster Anbaupraktiken.
Mittlerweile ist aus diesen Anfängen ein nationales Programm geworden. Drei von MASIPAG betriebene »Back-up Farms«, zehn Saatgutbanken regionaler Gemeinschaftsinitiativen und 272 von den Bauerngruppen betriebene Versuchsstationen in 40 Provinzen verfügen heute über 2000 lokale Sorten und von Bauern gezüchtete Linien. MASIPAG arbeitet in 45 der 97 Provinzen des Landes, in 672 »Peoples Organisations« – bäuerlichen Basisgruppen, in denen ca. 35 000 Bauernfamilien zusammengeschlossen sind. 60 verschiedene Nichtregierungsorganisationen, 15 Wissenschaftler verschiedener philippinischer Hochschulen und 40 hauptamtliche Mitarbeiter sorgen für den Erfolg der Bewegung, die nach wie vor von Bauern und Bäuerinnen getragen und gesteuert wird.
Zwar ist weiterhin die Entwicklung und Pflege vielfältiger und unter den jeweiligen regionalen Bedingungen leistungsfähiger Sorten Auftrag und Aufgabe von MASIPAG . Daneben geht es aber auch darum, in wissenschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Bauern und Wissenschaftlern ökologische Anbausysteme weiterzuentwickeln Diese sollen dem Konzept von
Agroécologie
folgen, das ich bereits für Haiti dargestellt habe. Die Verbreitung der Ergebnisse dieser Arbeit und die Wissensweitergabe ist vor allem Aufgabe der Bauern und Bäuerinnen selbst. Sie nutzen dafür Versuchsflächen, Feldtage und kulturelle Veranstaltungen.
Längst ist dieser landesweiten Initiative auch politische Bedeutung zugewachsen. Vertreter von MASIPAG setzen sich für die Rechte der Bauern und für deren Interessen bei allem ein, was Landeigentum, Recht auf die genetischen Ressourcen, Umweltschutz und Agrarpolitik betrifft.
In 2007 und 2008 wurde eine großangelegte Studie durchgeführt, mittels deren erhoben werden sollte, welche Ergebnisse die ökologischen Anbaumethoden im Vergleich zu den konventionellen Methoden zeitigen. Dafür wurden in den Regionen Luzon, Visayas und Mindanao insgesamt 840 in Struktur und Größe vergleichbare Bauernhöfe ausgewählt. Diese Untersuchungsgruppe wurde in drei Kategorien unterteilt: 280 bereits völlig auf ökologische Erzeugung umgestellte Höfe, eine Gruppe von 280, die ihre Umstellung gerade begonnen hatten, und 280 Höfe, die konventionell wirtschaften. [100] Da für die Datenerhebung bei philippinischen Kleinbauern nicht auf Buchführungsergebnisse oder amtliche Statistiken
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