FOOD CRASH
vor: Im Kapitel »Pflanzen: Neue Wege in Landwirtschaft und Industrie –
Rohstofflieferanten der Zukunft
« und im Kapitel »Biotechnologie: Lebenswissenschaften vor einer breiten Anwendung – Innovationen auf der Grundlage der Leitwissenschaften des 21. Jahrhundert«. Vier Jahre später wurde das Forschungsministerium konkreter. Ein »BioÖkonomieRat« wurde gebildet, der an der industrienahen Akademie
Acatec
angesiedelt und mit einem üppigen Jahresbudget von zwei Millionen Euro ausgestattet wurde. Seine Aufgabe war die Ausarbeitung einer »BioÖkonomie-Strategie«. Im Text des 63-seitigen Gutachtens, das der Rat nach eineinhalb teuren Jahren vorlegte, tauchten alle Begriffe auf, die aus Gründen politischer Korrektheit auftauchen müssen – so auch die Welternährung und der Ökologische Landbau sowie die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen. Das alles ist in einen sehr wenig aussagenden Text verpackt, dessen Intention sich erst erschließt, wenn man sich die Stellen markiert, an denen es konkret wird. Denn dort geht es um die Themen, um die es der Hightech-Strategie immer ging: um Rohstoffe für Industrie und um Agro-Gentechnik. So ist beispielsweise umfangreich davon die Rede, man müsse durch Öffentlichkeitsarbeit die Gesellschaft für die Notwendigkeit begeistern, Agrarforschung und -entwicklung voranzutreiben. Als einzigen Inhalt dieser Kommunikation führt das Gutachten dann die Notwendigkeit auf, der mangelnden Akzeptanz für Pflanzen-Biotechnologie abzuhelfen. [122] Wer sich für die Frage interessiert, in welche Richtung die Politik die Agrarforschung in den nächsten Jahren steuern will, sollte sich die Mühe machen, diesen entlarvend dürftigen Bericht zu lesen!
Ich selbst hatte die Gelegenheit, aus dem Munde der für Forschung und Bildung zuständigen Ministerin in der Deutschen Bundesregierung,
Annette Schavan,
eine ebenso komprimierte wie ehrliche Antwort auf diese Frage zu erhalten. Die Vorgeschichte dazu war, dass die Kabinettskollegin von Frau Schavan, die CSU -Ministerin
Aigner
zum Zorn der gesamten Biotechnologie-Branche den Anbau des einzig in der Europäischen Union zugelassenen Gentechnikmaises verbot. Aufgrund neuer umweltbiologischer Erkenntnisse wurde dem MON810, einem Produkt der Firma Monsanto, ein Anbauverbot erteilt. Die ebenfalls empörte Forschungsministerin lud darauf zu einem runden Tisch ein, an dem auch Aigner Platz nehmen durfte. Als Vertreter der Biobranche (Biolebensmittel, nicht Biotechnologie!) forderte ich Teilnahme an diesem Tisch ein und wurde tatsächlich eingeladen.
Das Thema des ersten runden Tisches sollte die Welternährung sein – denn diese sicherstellen zu müssen ist ja bekanntlich der wichtigste Daseinszweck der Agro-Gentechnik. Dass unter 25 Teilnehmern des Gespräches gerade einmal fünf waren, die man der »gentechnikkritischen« Richtung zuordnen konnte, war zwar ein starkes Stück – aber es kam ja nicht unerwartet. Dass aber zum Thema Welternährung die Ministerin, immerhin auch Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, nicht einen einzigen Vertreter einer staatlichen oder kirchlichen Entwicklungshilfeorganisation eingeladen hatte, darf man getrost als Skandal bezeichnen. Zumal dann noch eines der beiden ausführlichen Impulsreferate von meinem alten Bekannten Stefan Marcinowski vorgetragen wurde – dem für Biotechnologie zuständigen Vorstandsmitglied der BASF . Es wäre eine Übertreibung zu behaupten, Zweifel an einem technologiezentrierten Ansatz für die Bekämpfung von Hunger und Elend in der Welt sei die Grundstimmung im Hause der Ministerin gewesen …
In der nächsten Runde ging es zwar nicht mehr um das Welternährungsthema, aber wenigstens wurden auf unseren Protest hin dieses Mal Vertreter der Kirchen eingeladen. Das Verhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern der Agro- Gentechnik blieb jedoch in dieser ebenso wie in der letzten (dritten) Runde unverändert – und Sie müssen mir glauben, dass es nicht einfach ist, angesichts einer professoralen Übermacht aus den Instituten und Laboren der Biotechnologie seine Argumente beieinanderzuhalten. In dieser Atmosphäre fiel der Satz der Forschungsministerin, wegen dem ich den besagten runden Tisch Pflanzenbiotechnologie hier erwähne. Ich hatte ein besseres Gleichgewicht in der Forschungsförderung zwischen Ökolandbau-Forschung und Gentechnik eingefordert. Die Ministerin ging mich daraufhin mit scharfer Stimme und frontal an: Ob ich denn wirklich
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