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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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Gutachten mit dem Titel »Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation« ( WBGU -Gutachten) [123] veröffentlicht, in dem einerseits ein erster Versuch gemacht wird, die Handlungsoptionen umfassend und konkret zu umschreiben. Das Gutachten macht aber auch deutlich, dass es der Entwicklung eines eigenen Forschungsfeldes bedarf, um den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft und die Bedingungen, damit er stattfinden kann, zu beschreiben. Und dass parallel dazu eine Bildungsanstrengung unternommen werden muss, um die unabdingbare Teilhabe der Bevölkerung an diesem Prozess sicherzustellen.
    So muss ich Sie jetzt, anders als in den fünf vorangegangenen Kapiteln, bitten, mir auf unsicheres Terrain zu folgen und weniger begangene Pfade zu begehen. Und damit wir uns dabei nicht verlaufen, sollten wir uns erst einmal die Wanderkarte genauer ansehen und die einzelnen Wegmarken beschreiben.

Die Preise und die ökologische Wahrheit
    Im Februar 2011 war meiner Zeitung eine knappe
dpa-
Notiz mit dem Titel »Ein weiterer Müllskandal erschüttert Neapel« zu entnehmen:
»Jahrelang soll Stadtmüll direkt ins Mittelmeer gelangt sein. Weite Teile der Küste bis in das weit südlicher gelegene Salerno wurden verschmutzt … Den Ermittlern zufolge hatten hohe Beamte und Betreiber von Kläranlagen über Jahre hinweg vereinbart, verflüssigten Stadtmüll aus der Gegend ohne ökologische Aufarbeitung in das Mittelmeer zu leiten …«
    Ich weiß nicht, wie in Neapel die Richtlinien aussehen, durch die die Vergabe von Müllentsorgungsaufträgen an entsprechende Firmen geregelt werden. Aber nehmen wir einmal an, die Stadtverwaltung hätte eine Ausschreibung gemacht und dann den Auftrag an die bestanbietende Firma erteilt, also die Firma, die das günstigste Angebot gemacht hat. Dann wäre nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip verfahren worden, dass der im Vorteil ist, der seine Ressourcen – Arbeit, Maschinen, Treibstoffe etc. – am effizientesten einsetzt.
    Nehmen wir weiter an, dass in den Ausschreibungsbedingungen vorgesehen war, dass der Müll ordnungsgemäß in eine Deponie oder Müllverbrennungsanlage verbracht wird. Dann könnte es durchaus sein, dass eine teurere Firma in Wirklichkeit die billigere war. Dann nämlich, wenn sie die Kosten der ordentlichen Müllentsorgung mit eingerechnet hätte. Man könnte sagen, die Preise der teureren Firma hätten die
ökologische Wahrheit
ausgesagt – nicht jedoch die des Müll-ins-Meer-Pumpers. Denn Müll entsorgen kostet in jedem Fall Geld. Bringt man ihn ordnungsgemäß zur Deponie, dann kostet das Gebühren. Entsorgt man ihn ins Meer, dann kostet er auch, beispielsweise durch die Einnahmeausfälle der Strandhotels, in denen niemand mehr Ferien machen möchte, weil es vom Meer her nach Müll stinkt (um nur eine der Kostenstellen zu nennen).
    Andersherum betrachtet und um einen weiteren Begriff einzuführen: Der Müll-ins-Meer-Pumper hat all den Schaden, den er angerichtet hat, anderen überlassen. Er hat einen Teil seiner Entsorgungskosten
externalisiert.
Hätte er stattdessen die Hoteliers entschädigen, den Strand säubern und einen irgendwie zu beziffernden weiteren ökologischen Schaden bezahlen müssen, dann wäre sein Entsorgungspreis deutlich höher geworden, höchstwahrscheinlich teurer als der seines ordentlichen Kollegen. Nur dann hätte man davon sprechen können, dass die
Kosten internalisiert,
in den Preis eingerechnet worden wären.
    Kosteninternalisierung
ist
der
zentrale Begriff für unsere gesamte Diskussion. Das neapolitanische Beispiel hat zwar mit Lebensmittelproduktion und den Problemen der Ernährungssicherung nichts zu tun, es zeigt aber sehr drastisch, welchen Unterschied es macht, ob die Preise die ökologische Wahrheit sprechen und welche Wirkung erzielt werden könnte, würden die vollen Kosten internalisiert.

Allgemeingüter und Marktversagen
    Im Fall des Müllskandals ging es um Kriminalität. Da hat einer gegen Recht und Gesetz in der Umwelt abgeladen, was ordnungsgemäß entsorgt hätte werden müssen. Es kann aber auch passieren, dass jemand völlig ohne Gesetze zu brechen durch seine wirtschaftliche Betätigung Kosten für die Allgemeinheit oder die Umwelt verursacht.
    Wenn eine Fabrik einen Schadstoff ausstößt, der in einem nahe gelegenen Wald die Bäume abtötet, dann kann der Waldbesitzer über diesen Schaden eine Rechnung an den Fabrikbesitzer stellen und bekommt diese auch bezahlt. In der zweiten Hälfte des

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