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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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grüßte Prediger, als sie sich ungefähr in der Mitte der Brücke trafen. »Ein frohes neues Jahr.«
    Die Gestalt blieb stehen und wandte sich ihm zu, als wolle sie ihn ansprechen. Das Tuch flog knallend auseinander, die in schwarzes Leder gekleidete Gummimaid wurde sichtbar, und Predigers letzter zusammenhängender Gedanke war: Mein Gott, ihre Augen glühen. Dann .sauste die Nazgûl-Keule mit tödlicher Gewalt empor, traf ihn seitlich am Kopf und zerschmetterte ihm Verstand und Gleichgewichtssinn. Prediger stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden, und die Blume, die ihm Jinsei geschenkt hatte, entglitt seiner Hand. Die Gummimaid stellte sich über seinen bäuchlings liegenden Körper und holte zu einem zweiten Keulenhieb aus; doch er war nicht mehr nötig.
    Der Schlag hatte Prediger um hundertachtzig Grad herumgeschleudert. Flach im Schnee ausgestreckt, sah er aus einem verschleierten Auge den fernen blauen Schimmer der Rufsäule. Er begriff nicht mehr, wozu sie gut war, versuchte aber dennoch, auf sie zuzukriechen. Er kam einen knappen Meter weit; dann beugte sich die Gummimaid zu ihm hinunter, packte ihn an Kragen und Gürtel, hob ihn hoch und stemmte ihn über das Geländer.
    »Hnhnhn«, nuschelte Prediger mit gebrochenem Kiefer, als er die Tiefe dunkel unter sich spürte. Eine ziellos herumfuchtelnde Hand fand und packte eine Strähne vom langen, seidigen Haar der Gummimaid. Jinsei, dachte er liebevoll.
    Jinsei, wiederholte sein Herz, und die Gummimaid schleuderte ihn ins Leere, Jinsei, er fiel, überschlug sich, meinte zu fliegen, der Wind rauschte an ihm vorbei, Jinsei ich lieb — und ein letzter Schock, als er in das eisige Wasser des Fall Creek schlug, spitze Felsen unter dem Wasser, und unter den Felsen Finsternis und langer Schlaf.
    Die Gummimaid wartete nicht einmal, bis Prediger unten ankam. Die Keule in der Faust, machte sie sich auf den Weg zur Uris-Bibliothek, auf die Suche nach Jinsei, Rasferrets zweitem Übungsopfer. Es war 11 Uhr 35.
     
    VII
     
    Kleine Lichterketten erhellten die gefrorene Oberfläche des Beebe Lakes, wo die gesamte Koboldbevölkerung des Hügels Schlittschuh lief, tanzte und herumtollte und lachend das neue Jahr erwartete. Nur einer blieb den Lustbarkeiten fern: Hobart, der seit Halloween erschreckend gealtert wirkte. Warm in Pelze eingepackt, hielt er sich am Rand des beleuchteten Areals und murmelte vor sich hin. Trotz häufiger Bitten wollte er heute keine Geschichten erzählen, wenngleich es eine gab, die er unbedingt loswerden mußte.
    Als Zephyr Puck fand, trug er gerade ein Rätselduell mit Hamlet aus. »Was gibt’s?« fragte Puck, der ihren besorgten Blick sah. Wortlos zeigte sie auf Hobart, der leicht fröstelnd für sich allein stand. Selbst aus dieser Entfernung sah sein Gesicht erschreckend blaß aus. »Ist er krank?« fragte Puck.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Zephyr. »Er schläft in letzter Zeit schlecht, glaube ich.« Sie nahm seine Hand. »Er sagt, er will mit dir reden. Allein.«
    Ohne jeden vernünftigen Grund spürte Puck ein Kribbeln am unteren Ende der Wirbelsäule, erstes Anzeichen einer wachsenden Unruhe. »Er will mit mir allein reden? Worüber denn?«
    »Er hat’s mir nicht gesagt. Er meinte, du sollst ihm einen Gefallen tun.«
    »Einen Gefallen...«, Puck fuhr sich mit der Zunge nervös über die Lippen. Er konnte selbstverständlich nicht nein sagen. Schließlich war Hobart nicht nur Zephyrs Großvater, sondern auch Ältester, und dem Ältesten schlägt man keine Bitte ab.
    »In Ordnung«, sagte er nach langem Zögern. Er entschuldigte sich bei Hamlet, drückte Zephyrs Hand und ging entschlossen auf die fröstelnde Gestalt zu.
    »Du hast mich rufen lassen, Hobart?« grüßte ihn Puck. Anfangs schien der alte Kobold seine Gegenwart gar nicht zu bemerken und starrte unverwandt in eine der Laternen. Erst als Puck ihn leicht an der Schulter berührte, sah er auf.
    »Gut«, sagte Hobart zu ihm, und es war kaum mehr als ein Flüstern. »Gut.«
    »Zephyr...«, fing Puck an, während seine Unruhe wuchs, »Zephyr sagte, du möchtest, daß ich dir einen Gefallen tue.«
    »Einen Gefallen.« Hobart nickte. »Ich brauche ein Ohr.«
    »Wie bitte?«
    »Ein Ohr, das mir zuhört. Ich habe etwas, was ich unbedingt weitergeben muß - an ein Ohr, dem ich vertrauen kann. An jemanden, der mir hilft, zu entscheiden, was getan werden muß.« Er holte tief Luft und ein Rasseln drang aus seiner Brust.
    »Ist alles in Ordnung, Hobart?«
    »Absolut nicht. Ich schlafe zu

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