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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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auch eine andere Vermutung nahelegen können, doch das Kleine Volk verfügte über keine sehr ausgeprägte detektivische Ader.
    Hobarts Rettung wurde als Wunder gewertet. Für Puck rechnete man sich nur äußerst geringe Überlebenschancen aus, und wenn er sich aufgelöst hatte, würde man natürlich nie etwas von ihm finden. Der Tradition gemäß würde man in diesem Fall eine siebentägige Suche durchführen und ihn dann, sollte er bis zum Ablauf dieser Frist nicht aufgefunden werden, offiziell für tot erklären. Inoffiziell, im Herzen seiner Freunde, konnte er indes bedeutend länger weiterleben; in manchen Fällen hatten die Angehörigen des Verstorbenen noch jähre-, ja jahrzehntelang die Hoffnung nicht aufgegeben. Dies war das Los eines Geschlechtes, bei dem der Verschiedene keine sterblichen Überreste zurückließ.
    An diesem Tag teilte Zephyr ihre Zeit gerecht zwischen Suchdienst und Wachen an Hobarts Krankenlager auf. Den ganzen Vormittag über und bis zum frühen Abend zeigte sie eine erstaunliche Selbstbeherrschung, doch kurz nach Sonnenuntergang brach sie zusammen und ließ, plötzlich laut aufschluchzend, den Kopf auf die Brust ihres Großvaters sinken. Die Intensität ihrer Gefühle schien zu ihm zu dringen; er bewegte sich kaum merklich und flüsterte ein einziges Wort, ehe er wieder in seinem komatösen Schlaf versank.
    »Was, Hobart?« flehte Zephyr ihn an. »Was hast du gesagt?« Sie glaubte, von seinen Lippen das Wort Ritus abgelesen zu haben - was immer er damit gemeint haben mochte -, doch sie irrte sich. Hobart oder die prophetische Stimme, die aus ihm sprach, hatte ein Datum genannt. Idus, hatte er gesagt. Idus.
     
    Die Riten der Iden
     
    Die drei Architekten, sämtlich Cornellianer im Urlaub, trafen sich am 6. Januar in einem Cafe in Greenwich Village zu einer konspirativen Zusammenkunft. Das Lokal hieß Fishers Zornige Schlange, was ausgezeichnet paßte, da der Gegenstand der architektonischen Verschwörung die diesjährige Parade des Grünen Drachen war, oder genauer gesagt, die Hauptattraktion der Parade, der Drache selbst. Verna von Grautsch, der führende Kopf, hielt die Augustausgabe der ›Sun‹ in der Hand, in deren Leitartikel der - keine drei Meter nach dem Start so schmählich zusammengebrochene - letztjährige Drache mit Hohn übergössen wurde. Verna blickte ihre Kameraden mit feierlicher Miene an.
    »Heuer«, erklärte sie, »diesen März, werden wir es diesen plebejischen Schreiberseelen zeigen. Unser Jahrgang wird den besten, aufregendsten, meistbesprochenen Drachen in der Geschichte dieses Festes auf die Beine stellen.«
    »Geschichte?« wiederholte Tchikovsky, der Plebejer unter ihnen. »Wer schert sich schon um die Geschichte?«
    »Denk doch mal darüber nach«, bat ihn Verna inständig. »Der größte Erfolg direkt nach dem größten Reinfall. Rehabilitation für das College, Unsterblichkeit für uns. Wir werden wie Götter sein. Denk doch nur mal darüber nach.«
    Tchikovsky dachte darüber nach; es beeindruckte ihn trotzdem nicht. Damit war zu rechnen gewesen, denn Tchikovskys pragmatischer Verstand hatte viel von einer Reißzwecke: Er war scharf, aber ohne Tiefgang. Göttlichkeit, Unsterblichkeit und sonstige Abstraktionen dieser Größenordnung sprengten sein Fassungsvermögen; wenn es aber darum ging, die Belastung tragender Elemente zu berechnen, war er unschlagbar.
    Harp, der dritte Architekt, dachte da schon in anderen Kategorien. Genaugenommen in einer einzigen: Sex. Unter dem Tisch hatte er eine Hand auf Vernas Oberschenkel gelegt und streichelte eifrig. Sie ließ ihn gewähren, knallte ihm allerdings, wann immer sich die Hand in die Nähe einer erogenen Zone verirrte, eine stählerne Reißschiene über die Finger. Das machte nichts; Harp hatte absolut unverwüstliche Fingergelenke.
    »Also...«, sagte Harp nach einer besonders harten Züchtigung. »Wie soll dieser Überdrache denn nun aussehen, Knautschibaby?«
    »Nenn mich noch einmal so, und du bist ein toter Mann«, antwortete Verna von Grautsch. »Also zuerst einmal könnte ich mir vorstellen, daß wir einen großen Drachen wollen, einen riesigen, ungeheuren, sonneverfinsternd gewaltigen...«
    »Bloß nicht«, unterbrach sie Tchikovsky. »Die Größe war eine der Hauptursachen für das Fiasko vom letzten Jahr. Sie hatten das Vieh zu groß gebaut, und da lag der Schwerpunkt einfach zu hoch.«
    »Was genau der Grund ist, warum unserer noch größer werden muß«, erklärte sie ihm. »Deine Aufgabe wird

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