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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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gefunden. Besonders George machte sich Vorwürfe, da es ja seine Idee gewesen war, den Hund mitzunehmen; er konnte nur hoffen, daß das Tier, wo immer es auch war, gut zurechtkommen würde.
    Zwischen Luthers Abgang und Löwenherzens Anruf hatte auch Brian Garroway sein Scherflein dazu beigetragen, die Ferienstimmung zu verderben. Zweimal hatte er lange Briefe für Aurora abgegeben, und dreimal war er persönlich vorbeigekommen, um sie anzuschreien; Walter Smith hatte es insgeheim sehr genossen, sich bei diesen Gelegenheiten als Rausschmeißer betätigen zu können. Schließlich war Aurora zu Brian gegangen und hatte es nach einer mehrstündigen, mehr oder minder sachlichen Diskussion geschafft, einen wenn auch nicht sehr stabilen Frieden herzustellen. Die Verhandlungen hatten sie angestrengt; George sah ihr die Erschöpfung an, als sie endlich zurückkehrte.
    In der letzten halben Urlaubswoche teilte George seine Zeit gleichmäßig zwischen Aurora und der Erzählung für Predigers Totenwache auf, die er schließlich »Die Überfahrt« betitelte. Die Geschichte ging ihm leicht von der Hand; wenn es etwas gibt, das noch mehr inspiriert als unerwiderte Liebe, so ist es der Tod.
     
    III
     
    Die Totenwache wurde im Speisesaal der Risley Hall gehalten, der von allen Räumlichkeiten, die der Hügel zu bieten hatte, in Grundriß und Ausstattung einem mittelalterlichen Festsaal am nächsten kam. Sternenlicht und ein strahlender Mond schienen durch die Fenster hoch oben an den Wänden herein; draußen war der Himmel klar, die Luft klirrend kalt. Drinnen sorgten ein offener Kamin und eine profane Fußbodenheizung für Wärme. Zwei Reihen rechteckiger Tische zogen sich durch die ganze Länge des Saales. Die Reihen wurden an ihrem Kopfende rechtwinklig durch eine Herrschertafel abgeschlossen, und daran saßen Löwenherz, Myoko, Jinsei und Ragnarök. Ein fünfter, leerer Stuhl war symbolisch für Prediger aufgestellt worden. Die übrigen Bohemier und Grauen Vrouwen nahmen an den langen Tischen Platz, und mit ihnen ausgewählte Tolkienianer und Blaue Zebras. George erhielt einen Ehrenplatz nahe der Herrschertafel, und Aurora saß neben ihm; an diesem Abend sah sie wirklich von Kopf bis Fuß wie eine Prinzessin aus.
    Löwenherz klatschte in die Hände, und die Totenwache begann. Die Speisen wurden hereingetragen (Bettelstab und Aphrodite hatten die Risleyküche requiriert): eine Hekatombe von Brathähnchen, frischgebackenes Brot, Birnen, Äpfel, verschiedene Käsesorten und ein heißes, gewürztes Getränk, das hauptsächlich aus Ingwerbranntwein bestand. Sie schlemmten und zechten wie verzweifelt, und der Punsch verschwand so schnell, wie er zubereitet wurde. Einige der Versammelten kämpften gegen Tränen an, andere betranken sich mit einer wütenden Entschlossenheit, wieder andere leerten ihre Teller und begannen wie Besessene zu tanzen, als hinge ihr Leben davon ab.
    Ragnarök saß beklommen schweigend neben Jinsei. Seit seiner Rückkehr nach Ithaca hatten sie zwar Worte gewechselt, aber nicht eigentlich miteinander geredet; dafür schien es eines Katalysators zu bedürfen, der bislang noch nicht aufgetaucht war. Er aß nur wenig, trank dafür um so mehr, und mittendrin stand er auf und ging zum Kamin. Dort blieb er lange stehen und stocherte mit einem Schürhaken, der eigentlich gar keiner war, sondern Christoph Robins vom Drachen entführter Blitzableiter, im Feuer herum. Die Speisen hielten gut zwei Stunden vor, trotz des überraschend grimmigen Appetits der meisten Beteiligten. Als die Gier nachzulassen begann, klatschte Löwenherz erneut in die Hände. Die Musik verstummte; die Tänzer und alle, die sonst aufgestanden und im Raum umhergegangen waren, kehrten an ihre Plätze zurück; Ragnarök hielt weiterhin am Kamin Wache. Löwenherz nickte George zu, und dieser schritt mit seinem Manuskript in der Hand in die Mitte des Saales. Stille senkte sich über die Trauergemeinde; Ragnarök stocherte in der Glut; George räusperte sich.
    »Es war einmal ein Fischer«, fing er zaghaft an, »der Haus und Familie verließ, um eine lange Reise übers Meer anzutreten. Er ging nicht aus freien Stücken; nicht er hatte den Entschluß gefällt, sondern ein anderer...«
     
    IV
     
    Ein großer weißer Vogel aus Eis durchschnitt im Flug die Luft über dem Hügel. Rasferret der Engerling, dessen Zauberkraft und Rattenheer in den drei Wochen seit Neujahr ihre ursprüngliche Stärke bereits mehr als wiedergewonnen hatten, saß in seinem

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