Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
Teller Rührei mit Speck vorsetzte, faßte er den Entschluß, ein offenes Wort mit ihr zu reden, bevor sie sich nach Cornell absetzte und sich seinem Einfluß entzog. Als sie mit ihrem eigenen Teller zurückkam und sich an den Tisch setzte, stellte er folglich den Blickkontakt zu ihr her, wobei schon der Ausdruck in seinem Gesicht keinen Zweifel daran ließ, daß er ihr etwas äußerst Wichtiges zu sagen hatte. Dann machte er den Mund auf, doch das Marihuana stellte ihm ein Bein, und die Worte, die herauskamen, waren vielleicht nicht die glücklichsten:
    »Solltest du jemals lesbisch werden«, erklärte er mit größtem Ernst, »so hätte ich dafür Verständnis.«
    Da sie eigentlich nicht die Absicht hatte, lesbisch zu werden, ja sich generell eher selten mit diesem Fragenkomplex beschäftigte, war Auroras Reaktion auf diese Eröffnung nicht allzuschwer vorherzusagen: ein herausplatzendes, gestottertes oder ruhig ausgesprochenes einsilbiges »Was?«. Es dauerte allerdings einen Augenblick (und wer wollte ihr das verübeln?), bis ihre Ohren einen Testdurchlauf gemacht und sich von der Richtigkeit ihrer Wahrnehmung überzeugt hatten.
    »Was?« sagte sie, wobei sie exakt den Mittelweg zwischen Herausplatzen und ruhiger Frage erwischte.
    Walter blickte sie über den Tisch hinweg an, und daß seine Augen rot waren und tränten, lag nicht ausschließlich am Gras.
    »Papa«, sagte sie mit einer Stimme, die sich offensichtlich immer noch nicht für einen bestimmten Ton entscheiden konnte, »was ist los mit dir, Papa?«
    Die Zunge versagte ihm den Dienst. Er ballte eine Faust und schlug sich auf den Oberschenkel, als wollte er ein störrisches Tonbandgerät zum Laufen bringen, schaffte es endlich, sich zu konzentrieren, und die Worte sprudelten aus ihm heraus:
    »Jesse. Ich dachte gerade an deinen Bruder Jesse, daß er... daß er dieses Lächeln hatte, dieses besondere Lächeln. Auf einem der Ausschnitte - ich hab ihn noch - da sieht man zwei Polizisten, wie sie ihn wegschleifen, nachdem er gebrüllt hat, daß Lyndon B. Johnson ein Schwein ist. Sie schleifen ihn zu so einem komischen Polizeibus, und der eine von beiden hat ihn gerade zusammengeknüppelt, aber er lächelt, lächelt trotzdem und brüllt weiter, als ob es ein ungeheures Vergnügen sei. Dieses Lächeln, das war ein... ein Ich-lebe-Lächeln könnt man’s wohl nennen, denn das tat er, ich meine, er lebte, er... er...«
    Seine Rede geriet wieder ins Stocken, und Aurora schüttelte den Kopf. Rang immer noch um eine Entscheidung.
    »Papa, ich weiß nicht -« Sie biß sich auf die Lippen. »Versuchst du mir zu sagen, daß Jesse schwul war, oder...«
    »Nein, nein!« platzte er los. »Nein! Ich meine, vielleicht war er’s ja, die Hoffnung bleibt uns immerhin, aber darum geht’s gar nicht, sondern um... um... es war das Lächeln, das Lächeln! Jesse hat niemals versucht, sich anzupassen, er war anders, in jeder nur erdenklichen Hinsicht anders, und dieses Anderssein machte ihn lebendig, und deswegen lächelte er. Ed, sicher, er lächelt und lacht auch, aber niemals so. Vielleicht ist ja auch nicht jeder dafür geschaffen, so zu lächeln. Aber wenn’s in dir steckt, dieses... diese Fähigkeit, und du sie nicht... sie nicht...«
    Er beugte sich über den Tisch und ergriff Auroras Hand.
    »Ich weiß noch«, fuhr er fort, »wie wir damals nach Minnesota gefahren sind, zwei Jahre nach Jesses Tod, zu Eds Hochzeit. Am Ende des Saales waren die Brautjungfern aufgereiht, wie die Hühner auf der Stange, mit diesen großen gelben Hauben auf dem Kopf, und da hast du plötzlich so Jesse-mäßig gelächelt und mich gefragt, was wohl passieren würde, wenn jetzt jemand anfangen würde, den Mädchen die Hüte vom Kopf zu reißen. Und ich... ich hätte dich machen lassen, weißt du, ich hätte zugesehen, wie du rüberläufst und hochspringst und versuchst, die Hüte runterzureißen. Aber deine Mutter hat das mitbekommen, und sie war sowieso schon ziemlich sauer wegen einiger Verwandten, mit denen sie sich hatte unterhalten müssen, und da hat sie dir gesagt, daß du dich benehmen und aufhören sollst, dir so was einfallen zu lassen. Wann... wann hast du eigentlich angefangen, auf deine Mutter zu hören, Aurora?«
    »Papa, was...«
    »Ich möchte einfach nicht, daß du in dreißig Jahren aufwachst«, erklärte er und drückte ihr dabei die Hand so fest, daß es fast weh tat, »und feststellen mußt, daß deine Chance, mehr vom Leben zu haben, deine Chance, immer so zu lächeln, wie

Weitere Kostenlose Bücher