Fool on the Hill
ein Rächer der Enterbten e.V.?«
Prediger lächelte unschuldig.
»Nein, Sir«, sagte er. »Wir sind Bohemier.«
Ein kurzer Blick in Mr. Sunshines Bibliothek
Die Bibliothek war, wie Mr. Sunshine selbst, ein griechisches Original. Sie stand auf dem Gipfel eines Hügels, der weit höher war als der Hügel - ein Hügel ohne Regen, auf dem es immer Sommer und immer früher Samstagnachmittag war, die richtige Zeit für eine Flasche Retsina oder vielleicht, war man in eher philosophischer Stimmung, für ein Täßchen Schierlingstee. Eine sanfte Brise wehte den Duft von Lorbeer durch die offenen Fenster der Bibliothek, und von draußen hörte man das Muhen von Hornvieh und den gelegentlichen Akkord einer fernen Lyra.
Mr. Sunshine saß an seinem Pult im Schreibzimmer der Bibliothek und zackerte an seinem jüngsten Manuskript, einer Geschichte mit dem Arbeitstitel ›Absolutes Chaos in Chicagos Mr. Sunshines Schreibtisch ähnelte seinem Namen zum Trotz in keiner Weise einem gewöhnlichen Schreibtisch; ebenso unterschied sich sein Manuskript von jedem Manuskript, das Stephen George je hervorgebracht hatte. George lebte vom Lügen, Mr. Sunshines Dichtungen aber waren alle wahr, und obwohl er bisweilen Schwierigkeiten mit der Orthographie hatte, waren seine Geschichten nicht auf Papier geschrieben. Die fertigen Bände seines Werkes waren nicht wie üblich gebunden; und die Bücher in der Bibliothek waren nicht katalogisiert oder in Regalen eingestellt wie gewöhnliche Bücher. Es war alles überaus abstrakt, aber eigentlich auch wieder nicht.
Könnten Sie einen Blick auf Mr. Sunshine und seinen Schreibtisch werfen - und wären Sie dazu imstande, seine Arbeit zu begreifen -, dann würden Sie erkennen, daß in seinem Fall »Schreiben« in Wirklichkeit »Mitmischen« bedeutete. Erdachte Dichtungen nämlich, die Art von Lügen also, wie Stephen George sie erzählte, erfordern harte Arbeit seitens ihres Urhebers, um vollendet zu werden; Mr. Sunshines Geschäft aber waren wahre Dichtungen, und die laufen, einmal aufgezogen, wie eine Uhr von selbst und benötigen keine weitere Unterstützung. Mr. Sunshines Erzählertätigkeit beschränkte sich also, um bei diesem Bild zu bleiben, darauf, gelegentlich (oder auch öfter als gelegentlich) die Zeiger der Uhr zu verstellen und zu beobachten, was für interessante Spielarten von öffentlichem Ärgernis daraus erwuchsen.
Da seine Geschichten sich ohne sein Zutun weiterentwickelten, konnte er zwischen den laufenden Arbeiten hin und her springen, ohne je mit einer davon in Verzug zu geraten. Wenn er von einer Sache erstmal genug hatte, übergab er sie den Affen.
Sämtlich blind, taub und stumm und doch jedem gewöhnlichen schwerbehinderten Primaten unähnlich, umgaben die Affen Mr. Sunshines Schreibtisch in ungeheuren (aber nicht unendlichen) Scharen. Jeder Affe saß an einer Schreibmaschine, die natürlich keiner normalen Schreibmaschine ähnelte, und mischte mit. Da sie allerdings nicht die leiseste Ahnung hatten, worum es eigentlich ging, waren ihre Einmischungen vollkommen planlos und für gewöhnlich ohne Sinn und Verstand. Das war schon in Ordnung; die Geschichten liefen trotzdem weiter, und ab und zu gelang ihnen auch ein Treff er. Ein Affe, der am ›Leben Katharinas der Großen‹ herumwerkelte, hatte rein zufällig eine kleine Episode mit einem Pferd eingefügt, über die sich Mr. Sunshine noch tagelang kringelig gelacht hatte (die Zarin dürfte das allerdings nicht annähernd so lustig gefunden haben).
Die Affen waren am Schaffen; die nachmittägliche Brise wehte lind. Mr. Sunshine unterbrach seine Arbeit, um ein Wort nachzuschlagen, legte aber dann, als ihm plötzlich etwas einfiel, das ›Absolute Chaos in Chicago‹ für einen Augenblick beiseite. Er verließ seinen Schreibtisch und schritt die Reihen der Affen ab, wobei er die verschiedenen Arbeitstitel überflog. Zwischen ›Der Dritte Weltkrieg: Vorspiel‹ und ›Das Leben der Anita Bryant‹ fand er schließlich, wonach er gesucht hatte: ›Fool on the Hill‹, eine komische Sache, die er vor über einem Jahrhundert angefangen hatte und die jetzt endlich in Gang kam. Da hatten schon bedeutende Einmischungen stattgefunden, und weitere mußten noch erfolgen (anschließend würde er vielleicht hinuntergehen und sich den Höhepunkt aus nächster Nähe ansehen), doch vorderhand waren nur ein paar geringfügige Eingriffe nötig.
Eins nach dem anderen. Mr. Sunshine nahm den Platz des Affen an der Schreibmaschine
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