Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
Vom Netzwerk:
sich die Augen, streckte die Arme aus. Gopal schlief noch und schnarchte leise. Er lag noch immer auf dem Bauch, so wie er als Baby geschlafen hatte. Sie musste auf die Toilette, und da es draußen schon hell war, beschloss sie, zur öffentlichen Toilette zu gehen, statt den abgedeckten Eimer in der Ecke zu benutzen.
    Auf dem Dorf hatten sie eine tiefe, gegrabene Latrine gehabt, mit einer Kanne frischen Wassers, die die Frauen regelmäßig füllten. Hier in Dharavi war die öffentliche Toilette eher ein geschlossener, stinkender Raum, der nie sonderlich sauber war. Die alteingesessenen Familien in Dharavi hatten ihre eigenen Toiletten. Die öffentlichen wurden nur von den Zugereisten benutzt.
    Heute Morgen ging es aber. Es gab ein paar Frauen, die noch früher aufstanden und die Toilette mit Wasser von einem nahen Wasserhahn ausspritzten. Zum Abend würde der Gestank einem dann die Tränen in die Augen treiben.
    Sie trödelte ein wenig vorm Haus herum. Es war noch nicht allzu heiß, die Straße noch nicht völlig überfüllt. Fast wünschte sie, es wäre anders. Vielleicht würden der Lärm und die Menschenmengen ihre Sorgen betäuben. Vielleicht würde die Hitze sie austrocknen.
    Sie hatte ihr Handy dabei. Über Nacht hatte sie einen Haufen Werbung, Cartoons und politische Aufrufe hereinbekommen. Ungeduldig löschte sie alles und blätterte sich durch ihr Adressbuch, dann verharrte sie bei Mr. Banerjees Namen und starrte ihn an, den Daumen über der Taste.
    Es ist noch zu früh, dachte sie. Sicher schläft er noch. Andererseits, tat er das denn je? Mr. Banerjee schien immer wach zu sein – zumindest schickte er ihr ständig neue Ziele für ihre Armee. Er würde schon wach sein. Wahrscheinlich hatte er die ganze Nacht mit Mrs. Dotta geredet.
    Ihr Daumen schwebte über der Taste.
    Da klingelte das Telefon.
    Fast hätte sie es vor Schreck fallen gelassen, aber es gelang ihr, sich zu beherrschen und einen Blick darauf zu werfen. Natürlich war es Mr. Banerjee, als hätte sie ihn kraft ihrer Gedanken herbeigerufen. Sie nahm ab. »Hallo?«
    »Mala«, sagte er. Er klang sehr ernst.
    »Mr. Banerjee«, presste sie hervor.
    Er sagte nichts weiter. Sie kannte den Trick. Sie benutzte ihn selbst, besonders bei den Jungs in ihrer Armee. Man musste die Stille im Kopf seines Gegenübers so lange anwachsen lassen, bis sie vor seinen Ängsten und Zweifeln nur so widerhallte. Es funktionierte zuverlässig, selbst wenn man den Trick kannte. Bei ihr zumindest funktionierte er gerade ausgezeichnet.
    Sie biss sich auf die Lippe. Sonst wäre sie mit irgendetwas herausgeplatzt, etwa Er wollte mir wehtun oder Er hat es provoziert oder Ich habe nichts Unrechtes getan .
    Oder Ich bin eine Kriegerin und schäme mich nicht .
    Da – das war der Gedanke, den sie brauchte, auch wenn er sich davonstehlen und hinter Er wollte mir wehtun verstecken wollte. Das war der Trupp, der an die Front musste. Sie stellte ihn auf, trieb ihn an, brachte ihn in eine ordentliche Formation und schickte ihn in die Schlacht.
    »Mrs. Dottas dummer Neffe hat letzte Nacht versucht, mich anzugreifen, falls Sie’s noch nicht wissen.« Sie wartete einen Herzschlag lang. »Das habe ich nicht zugelassen. Ich glaube nicht, dass er’s noch mal probieren wird.«
    Sie hörte leises Schnauben am anderen Ende der Leitung. Ein unterdrücktes Lachen? Unterschwellige Wut? »Ich habe davon gehört, Mala. Der Junge liegt im Krankenhaus.«
    »Gut«, sagte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte.
    »Er hat mehrere Rippenbrüche. Eine Rippe hat seine Lunge durchstochen. Er wird aber wohl überleben. Trotzdem ist es ziemlich schlimm.«
    Sie fühlte sich elend. Wieso? Wieso hatte es so weit kommen müssen? Warum hatte er sie nicht einfach in Ruhe lassen können? »Freut mich, dass er durchkommt.«
    »Mrs. Dotta hat mich mitten in der Nacht angerufen, um mir mitzuteilen, dass der einzige Sohn ihrer Schwester angriffen worden ist. Von einer bösartigen Bande deiner Freunde. Deiner ›Armee‹.«
    Jetzt war sie es, die schnaubte. »Das behauptet er bloß, weil er sich schämt, dass ich allein ihn so zugerichtet habe. Ich, ein Mädchen.«
    Abermals schwoll das Schweigen zwischen ihnen an. Er wartet darauf, dass ich mich entschuldige und sage, ich will es wiedergutmachen, er kann mir die Kosten einfach vom Lohn abziehen. Sie schluckte. Das werde ich aber nicht. Der Dummkopf hat mich dazu gebracht, ihn anzugreifen, und er hat verdient, was er gekriegt hat.
    »Mrs. Dotta … «, setzte er an

Weitere Kostenlose Bücher