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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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entschied er sich für den leichtesten Job, den er kriegen konnte: den des Mechanischen Türken.
    Die Mechanischen Türken in der Spielwelt waren eine Art Arbeiterheer. Man musste lediglich nachweisen, dass man ein erfahrener Spieler war, und die Betreiber konnten das überprüfen. Man meldete sich an, und wenn einem dann der Sinn nach einer Schicht stand, loggte man sich ein. Immer, wenn ein Spieler etwas tat, das das Spiel nicht interpretieren konnte, bekam man eine Nachricht. Zum Beispiel, wenn ein Spieler probierte, einen NSC in exzessive Gespräche zu verwickeln, ein Schwert irgendwo reinzustecken, wo es nicht hingehörte, oder auf einen Baum zu klettern, der nie ausgestaltet worden war. Der Mechanische Türke, kurz MT , spielte den Schiedsrichter: Er übernahm den NSC , wählte ein Verhalten für den erdolchten Gegenstand oder entschied, was man in einem Baum fand.
    So was brachte einem nicht viel ein, aber es dauerte auch nicht lange. Wei-Dong hatte sich ausgerechnet, dass er locker so viel wie die Manager im Betrieb seines Vaters verdienen konnte, wenn er zwei Computer parallel benutzte – etwas, was er sich problemlos zutraute – und auf beiden alle zwanzig Sekunden einen neuen Job übernahm. Das würde er zwar zehn Stunden am Tag machen müssen, aber er hatte viele Wochenenden zwölf oder vierzehn Stunden am Stück gespielt, von daher war es leicht verdientes Geld.
    Er meldete sich an und begann die notwendigen Formulare zu bearbeiten. Die ganze Zeit ging ihm dabei sein selten genutzter E-Mail-Account durch den Kopf. Mit Sicherheit warteten dort bereits E-Mails seiner Eltern auf ihn. Die Fragebögen waren lang und langweilig, aber relativ einfach auszufüllen. Ein Großteil waren hypothetische Fragen, bei denen er kurz beschreiben sollte, was er tun würde, wenn ein Spieler dieses oder jenes sagte oder tat. Und immer lauerten im Hintergrund die Mails seiner Eltern, die wollten, dass er sie herunterlud und las …
    Er öffnete einen neuen Browser-Tab und loggte sich in seinen E-Mail-Zugang ein. Es war Wochen her, dass er zuletzt dort reingeschaut hatte, und sein Postfach ertrank in Hunderten von Spams. Doch da war sie, ganz oben:
    Rachel Goldberg – Wo steckst du???
    Natürlich war es seine Mutter, die ihm geschrieben hatte. Sie war immer schon die Schreiberin gewesen – kleine aufmunternde Botschaften während des Schultags, Erinnerungen an die Geburtstage seiner Großeltern, seiner Cousins und seines Vaters. Sein Vater schrieb nur E-Mails, wenn es unbedingt sein musste, meistens morgens um zwei, wenn er vor lauter Sorge ums Geschäft nicht schlafen konnte oder das Bedürfnis verspürte, seine Manager anzuranzen, sie aber nicht mit einem Anruf wecken wollte. Vor die Wahl gestellt, zog Dad das Telefon aber vor.
    Wo steckst du???
    Der Betreff sagte eigentlich alles, oder?
    Leonard, das ist verrückt. Wenn du wie ein Erwachsener behandelt werden willst, dann fang an, dich wie einer zu benehmen. Schleich nicht hinter unserem Rücken rum und spiel Spiele mitten in der Nacht. Renn nicht nach Gott weiß wo weg, bloß um zu schmollen.
    Wir können das wie eine Familie regeln, wie Erwachsene, aber erst mal musst du HEIMKOMMEN und aufhören, dich wie ein KLEINES KIND zu benehmen. Wir haben dich lieb, Leonard, wir machen uns Sorgen, und wir wollen dir helfen. Ich weiß, wenn man 17 ist, kommt es einem gern so vor, alsob man über alles Bescheid wüsste …
    Er las nicht weiter. Er hasste es, wenn Erwachsene ihm erklärten, dass er sich nur so fühlte, wie er’s tat, weil er jung war. Als ob jung sein so was Ähnliches wie verrückt oder betrunken sein wäre, seine Überzeugungen nur Halluzinationen, eine Geisteskrankheit, die man durch fünf Jahre Abwarten heilen konnte. Warum schloss man ihn nicht gleich in eine Kiste ein, bis er 22 war?
    Er wollte schon Reply drücken, da kam es ihm, dass er ja keinen Anonymisierungsdienst benutzte. Seine Freunde von der Gilde kannten sich mit so was aus: Es handelte sich um Server, die den Traffic eines Nutzers umleiteten und auf diese Weise seine Identität und die von ihm besuchten Seiten verschleierten. Mit die besten Server stellte Falun Gong zur Verfügung, dieser seltsame Kult, den die chinesische Regierung unbedingt zerschlagen wollte. Falun Gong brachte beinahe stündlich neue Relaisstationen an den Start und war damit der Großen Firewall von China – jener allsehenden, allwissenden, alles kontrollierenden Serverfarm, die 1,8 Milliarden Chinesen vor »falschen

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