Forbidden
Hand hält mich an der Schulter zurück.
»Du kannst da nicht lang«, sagt jemand. »Es hat einen Unfall gegeben.«
Ich mache unwillkürlich einen Schritt zurück. Na großartig.
»Ein Mädchen ist da runtergestürzt. Sie haben sie gerade in die Krankenstation gebracht. Sie war bewusstlos«, fügt jemand anders in gewichtigem Tonfall hinzu.
Ich blicke auf das Absperrband, will mich fast schon trotzdem hindurchducken.
»Wer ist es denn?« Noch eine Stimme.
»Ein Mädchen aus meiner Klasse. Maya Whitely. Ich hab gesehen, wie es passiert ist. Und ich sag dir, das war Absicht.«
»He!«
Ich habe mich bereits unter dem Band hindurchgeduckt undstürme die zwei Treppenabsätze hinunter. Im Erdgeschoss wimmelt es von Schülern, die alle in den Pausenhof hinauswollen, sie schieben sich unendlich langsam voran. Ich bahne mir einen Weg, stoße Schultern beiseite, bin zwischen Körpern eingeklemmt, kämpfe mich weiter. Wütendes Geschimpfe hinter mir.
»He!« Jemand packt mich am Arm. Ich drehe mich um und will mich losreißen, starre dann aber in das Gesicht von Miss Azley. »Sie müssen hier draußen noch eine Weile warten, Lochan. Die Krankenschwester hat gerade zu tun –«
Ich reiße meinen Arm los. Sie versperrt die Tür.
»Was ist denn mit Ihnen, Lochan?«, fragt sie. »Fühlen Sie sich nicht wohl? Setzen Sie sich einen Augenblick, ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
Ich weiche unwillkürlich einen Schritt zurück. »Lassen Sie mich vorbei«, keuche ich. »Ich bitte Sie, ich muss unbedingt –«
»Sie müssen hier warten. Es gab einen Unfall, und Mrs Shah kümmert sich gerade darum.«
»Es ist Maya –«
»Wer?«
»Meine Schwester!«
Ihr Gesichtsausdruck wandelt sich. »Oh Gott, Lochan! Hören Sie, es geht ihr gut. Sie ist nur ohnmächtig geworden. Sie ist nicht tief die Treppe hinuntergestürzt –«
»Bitte lassen Sie mich zu ihr!«
»Setzen Sie sich einen Augenblick! Ich werde die Krankenschwester fragen.«
Miss Azley verschwindet in der Tür. Ich sitze auf einem der Plastikstühle im Korridor und presse die Faust gegen den Mund. Ich schnappe keuchend nach Luft.
Ewigkeiten später, wie mir scheint, kommt Miss Azley heraus, um mir zu sagen, dass Maya nichts geschehen sei, sie stehe nur noch unter Schock. Sie habe sich lediglich die Haut aufgeschürft. Sie bittet mich um unsere Telefonnummer, aber ich erkläre ihr, dass Mum arbeiten ist und ich Maya nach Hause bringen werde. Miss Azley wirkt besorgt. Sie sagt, Maya müsse noch in der Notaufnahme im Krankenhaus geröntgt werden, ob sie eine Gehirnerschütterung habe. Ich antworte, darum würde ich mich selbstverständlich kümmern.
Schließlich lassen sie mich zu ihr hinein. Sie befindet sich in dem kleinen weißen Vorraum, sitzt auf einem Krankenbett, gegen ein Kissen gesunken. Eine hellgrüne Decke ist halb über ihren Körper gebreitet. Sie hat keine Schulkrawatte mehr um, und der rechte Ärmel ihrer weißen Bluse ist hochgerollt. An ihrem rechten Arm ist die Haut aufgeschürft, und am Ellenbogen befindet sich ein großes Pflaster. Sie hat keine Schuhe und Strümpfe an. Ihre nackten Beine baumeln über die Bettkante, ein Knie ist mit einem weißen Verband umwickelt. Ihre rotbraunen Haare hängen ihr lose über die Schultern, aus irgendeinem Grund hat sie keinen Pferdeschwanz. Ihr Gesicht ist leichenblass. Auch ihre rechte Wange ist aufgeschürft und von einem schmalen Streifen verkrustetem Blut überzogen. Die rote Spur leuchtet schmerzlich auf ihrem bleichen Gesicht. Ihre Augen blicken leer, von tiefen Schatten umgeben. Sie lächelt mich nicht an, als sie mich sieht: Aus ihrem Gesicht ist jedes Leuchten verschwunden. An seine Stelle ist ein dumpfer Ausdruck getreten, eine Mischung aus Schock und Resignation.
Als ich in dem kleinen Zimmer einen Schritt zum Bett hin mache, zuckt sie unmerklich zusammen. Hastig weiche ich zurück,presse meine verschwitzten Handflächen gegen die kalte Wand hinter mir.
»Was – was ist geschehen?«
Sie blinzelt ein paarmal und schaut mich einen Augenblick lang unendlich müde an. »Alles in Ordnung, wirklich, mir –«
»W-was ist geschehen, Maya?« Meine Stimme hat eine Schärfe angenommen, die von mir nicht beabsichtigt ist.
»Ich bin ohnmächtig geworden, als ich die Treppe hinuntergegangen bin. Ich hab nichts gefrühstückt und zu wenig getrunken, das ist alles.«
»Was hat die Schwester gesagt?«
»Dass alles in Ordnung ist. Ich soll nicht ohne Frühstück in die Schule. Sie will, dass
Weitere Kostenlose Bücher