Forbidden
und ich keine Freundinnen mehr sind, weil sie mir meinen Lieblingstintenstift geklaut hat, den roten mit den blauen Herzchen drauf, und sie hat ihn mir nicht zurückgeben wollen, obwohl Georgia sie dabei gesehen hat!«
»Ach ja, stimmt! Dein Stift.«
»Du vergisst in der letzten Zeit immer alles, was ich dir erzähle«, sagt Willa. »Wie Mum, als sie noch bei uns gewohnt hat.«
Wir gehen schweigend weiter. Ein Schuldgefühl kriecht in mir hoch, kalt und frostig. Krampfhaft versuche ich mich an die Geschichte mit dem Stift zu erinnern. Vergebens.
»Ich wette, du weißt nicht mal, wer jetzt meine beste Freundin ist«, sagt Willa herausfordernd.
»Natürlich«, sage ich hastig. »Es … es ist Georgia.«
Willa schüttelt trotzig den Kopf. »Nein.«
»Dann … ja … na, dann doch Lucy, weil ich mir sicher bin, dass sie dir den Stift zurückgibt, und dann vertragt ihr euch wieder und seid wieder ein Herz und eine See –«
»Niemand!«, brüllt mich Willa plötzlich an. »Ich hab gar keine beste Freundin!«
Ich bleibe stehen und sehe sie erstaunt an. Willa hat mich noch nie so wütend angebrüllt.
Ich versuche, den Arm um sie zu legen. »Willa, schau mich an! Was ist denn los? Hast du heute einen schlimmen Tag gehabt?«
Sie wehrt mich ab. »Nein, hab ich nicht! Miss Pierce hat mirdrei Sternchen gegeben, und ich hab alles richtig buchstabieren können. Das hab ich dir gerade alles erzählt, aber du hast immer nur mit ›Hmm‹ geantwortet. Du hörst mir überhaupt nicht mehr zu!«
Willa reißt sich los und fängt an zu rennen. An der nächsten Straßenecke hole ich sie ein. Ich drehe sie zu mir, gehe in die Hocke und schaue sie an. Sie heult lautlos und wischt sich mit den Händen wütend übers Gesicht.
»Willa, es tut mir leid – es tut mir leid, mein Schatz. Es tut mir wirklich so leid. Ich hab dir nicht richtig zugehört, und das war nicht in Ordnung von mir. Aber das wird nicht mehr vorkommen. Natürlich will ich wissen, was du alles erlebst. Ich hab jetzt nur immer so viel lernen müssen, und es ist immer so viel Arbeit, und ich war oft so müde –«
»Das ist nicht wahr!« Sie gibt einen Schluchzer von sich. Tränen schießen ihr in die Augen. »Du … du … liebst … mich … nicht … mehr …«
Ich schaue sie ernst an. »Willa … natürlich … natürlich liebe ich dich …«, versichere ich ihr, nach Worten suchend. Aber ich spüre, dass an dem, was sie sagt, ein wahrer Kern ist.
»Lass dich umarmen, meine Kleine«, sage ich schließlich und schlinge die Arme ganz fest um sie. »Du bist mein liebstes Mädchen auf der ganzen Welt, und ich hab dich ganz, ganz arg lieb. Du hast recht. Ich hab dir manchmal nicht mehr richtig zugehört, weil Lochan und ich uns immer um so viele Dinge kümmern müssen. Aber das ist alles langweiliges Zeugs. Von jetzt an werden wir wieder mehr Spaß miteinander haben, versprochen!«
Sie nickt und schnieft und wischt sich die Tränen aus demGesicht. Ich hebe sie hoch, und sie schlingt wie ein Äffchen die Arme und Beine um mich. Ich spüre ihre Arme an meinem Hals und ihre Wange, die sie gegen meine presst, aber ich spüre auch, dass sie mir nicht ganz glaubt.
Trotz der lauten Schritte auf den Betonstufen blickt er nicht von seinem Buch auf. Ich stoppe, als ich die Hälfte der Treppe erreicht habe, lehne mich an das Geländer und warte. Die vom Pausenhof aufsteigenden Geräusche umfluten mich. Lochan weigert sich immer noch, hochzublicken. Zweifellos hofft er, wer immer da auf der Treppe steht, möge ihn nicht weiter beachten und weitergehen. Als ihm allmählich klar wird, dass das nicht der Fall ist, schielt er kurz über den Seitenrand – und da fällt ihm das Buch vor lauter Überraschung fast aus der Hand. Über sein Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. »Hallo!«
»Du auch hallo!«
Er klappt das Buch zu und sieht mich erwartungsvoll an. Ich stehe da, betrachte ihn, muss mir ein Grinsen verkneifen. Er räuspert sich, wirkt plötzlich ganz schüchtern, errötet.
»Was … ähm … was machst du hier?«
»Ooch … bin nur gekommen, um dir Hallo zu sagen!«
Er greift nach meiner Hand und lässt sich von mir hochziehen, blickt um sich, als suche er nach einem versteckten Winkel.
»Schon in Ordnung«, sage ich hastig. »Ich bleib nicht lange.«
Er schaut mich an, und sein Lächeln verblasst. Dann bemerkt er meinen Rucksack und meine Sporttasche. »Wo gehst du hin?«, fragt er verunsichert.
»Ich nehm mir einen Nachmittag frei.«
Er
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