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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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das Wort geführt hatte. Als die beiden, einander zugewandt, vor der Fahrstuhltür stehen blieben, sah Tamar, dass der rechte Arm des Fremden herunterhing und die Hand in einem schwarzen Handschuh steckte.
    Der Fahrstuhl kam, der Blonde ließ dem Älteren den Vortritt, dann schloss sich die Tür hinter ihnen.
    Tamar meldete sich ab und faltete die beiden Phantombilder zusammen. Dann ging sie hinüber zur Rezeption.
    »Sie haben mir sehr geholfen«, sagte sie zu Julia, die als Antwort artig lächelte. »Aber jetzt würde ich gerne die Anmeldungsformulare der beiden Männer sehen, die gerade gekommen sind.«
    Das artige Lächeln brach ab, Julia wollte Widerspruch anmelden, aber Tamar zeigte ihr wortlos ihren Polizeiausweis.
    Der eine der beiden Männer hatte sich als ein Wolf Deutscher eingetragen, geboren 1985, Beruf: stud. jur.
    Kaum, dachte Tamar und griff zum zweiten Formular, das ausgefüllt und unterschrieben war von Dr. Ernst Moritz Schatte.
    Tamar hob die Augenbrauen.
    »Ist das nicht sein richtiger Name?«, fragte Julia.
    Tamar betrachtete sie, und für einen kurzen Moment sah sie Julia tief in die Augen.
    »Doch«, antwortete sie dann. »Von dem einen schon.«
     
     
     
    S ie hing an der Theke rum, als wir kamen«, berichtete die Lehrerin. »Da hatte sie eigentlich schon zu viel, aber einer meiner Kumpel ist mit ihr befreundet und hat sie mit an den Tisch genommen. Aber woher kennst du sie eigentlich?«
    »Wir sind Schulfreundinnen«, antwortete Marlen. Sie fuhren durch ein Waldstück, über ein von Schlaglöchern übersätes Sträßlein, vorbei an verfallenen Schuppen der einstigen französischen Garnison. Elke saß oder lag im Fond von Marlens Renault, sie war fast sofort eingeschlafen, als die beiden Frauen sie mit Mühe und Nachdruck dort hinein bugsiert hatten.
    »Und wie bist du darauf gekommen, nach ihr zu suchen?«
    Der Fahrweg verließ den Wald und mündete in die Straße von und zur Innenstadt ein, Marlen musste warten und einen späten Linienbus vorbeilassen.
    »Ich hab gehört, sie sei mal wieder auf Tour«, antwortete sie schließlich. »Das wollte ich abkürzen.«
    Die Lehrerin warf ihr einen Blick von der Seite zu.
    Sie glaubt mir nicht, dachte Marlen, aber darauf kommt es auch nicht an.
    Elke wohnte in einem Appartementblock im Friedrichshafener Ortsteil Manzell. Zu dem Block gehörte eine Tiefgarage, von der ein Aufzug zu den Appartements führte. Aber es dauerte eine Weile, bis die Lehrerin in Elkes Taschen den Wohnungsschlüssel und die Chipkarte für die Tiefgarage gefunden hatte. Als sie Elke aus dem Wagen zogen, wachte diese dann doch auf, blinzelte kurz und schüttelte den Kopf.
    »Weiber«, sagte sie, »mal was anderes...«
    Die beiden hakten sie links und rechts an den Armen unter, das gefiel ihr aber nicht. »Kann selber laufen, ihr Hühner.« Dabei stolperte sie, so dass die beiden sie festhalten mussten. »Das kommt davon«, sagte Elke.
    Sie erreichten den Aufzug. Elke teilte mit, dass sie noch Bier im Kühlschrank habe. »Zwei Flaschen. Mindestens.«
    Ihr Appartement hatte zwei Zimmer mit einem großen Balkon zum See hin. Das Wohnzimmer war spartanisch eingerichtet, mit ein paar Möbelstücken, die aussahen, als seien sie im Vorbeigehen bei einem Secondhandshop für Designerware gekauft worden. Die beiden Frauen brachten die protestierende Elke, die eigentlich und unbedingt erst zum Kühlschrank wollte, ins Schlafzimmer. »Ihr werdet doch nicht!«, sagte sie noch, aber sie war kaum auf das französische Bett gepackt und in eine Decke gehüllt, als sie auch schon wieder schlief.
    »Sollen wir noch das Bier aus dem Kühlschrank ausräumen?«
    »Nein«, antwortete Marlen, »morgen früh wird sie es brauchen.«
     
     
     
    I m Sommer sei die Uferpromenade so abgrundtief grauenvoll, erklärte Stefanie, dass sie es gar nicht sagen könne. »Busladungen von Männern mit Strohhüten und dicken Weibern in Bermudas, Motorradrocker mit ungewaschenen Haaren und alle zwei Schritte ein Glasperlenverkäufer oder ein Postkartenmaler!« Sie hatte ohne weitere Umstände Bastians Arm genommen. »Aber jetzt, finde ich, ist es sehr schön. Manchmal hörst du nur die Möwen oder höchstens, dass die Wellen ein bisschen gluckern, und wenn Nebel ist, siehst du nicht einmal das Schweizer Ufer, und du denkst, du bist am Ende der Welt, das macht einem ein ganz wehmütiges Gefühl, ich kann es nicht beschreiben, es tut ein bisschen weh, und doch mag ich es... Ach!« Sie tat so, als müsse sie sich vor den

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