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Forgotten

Forgotten

Titel: Forgotten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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diesem Morgen lächle ich.
    »Ja, das klingt einleuchtend«, sage ich, als ich meinen Sicherheitsgurt löse und die Tür aufstoße. Ich winke ihr zum Abschied, dann renne ich zu meiner ersten Stunde.
    Kaum in der Umkleide angekommen, werde ich von Page Thomas gestellt. »Und? Hast du schon mit ihm gesprochen?«, flüstert sie und zupft nervös am Saum ihres Schlabber-T-Shirts.
    Statt normaler Straßenkleidung sehe ich ein Kostüm in Pages Spind hängen. Halloween! Das hatte ich ganz vergessen. Gut, dass ich mir meine Klamotten gestern Abend schon rausgelegt habe. Schwarzer Pulli, schwarzer Jeansrock und schwarzorange gestreifte Strumpfhosen. Kein Kostüm im engeren Sinne, aber trotzdem dem Anlass angemessen.
    Page sieht mich herausfordernd an, die Arme vor der Brust verschränkt, als ruhe die Verantwortung für ihr Liebesleben allein auf meinen Schultern. Einen Sekundenbruchteil lang überlege ich, ob ich ihr die Wahrheit sagen soll: dass ich noch nicht mit Brad gesprochen habe. Aber dann denke ich an das, was er ihr antun wird. Dass er sie vor der gesamten Schule lächerlich machen wird. Dass sie danach am Boden zerstört sein wird.
    Und dann denke ich an mich selbst.
    Ich will versuchen, irgendwas zu ändern – eine Kleinigkeit, sozusagen als Experiment, um zu testen, ob ich auch etwas Großes ändern könnte.
    Mit diesem Vorhaben im Hinterkopf sage ich Page nicht die Wahrheit, sondern lüge diesem armen Geschöpf in schlabbrigen Klamotten und mit ernsten Augen ins Gesicht.
    »Page«, sage ich und lege jede Menge Mitgefühl in meine Stimme. »Es tut mir wirklich total leid – aber ich glaube, Brad ist schwul.«

17
    »Tschüs!«, rufe ich meiner Mom im Haus zu, bevor ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse und zu Luke auf die Veranda gehe.
    Es ist so weit: unser erstes Date.
    Ich habe den ganzen Tag über meinen Aufzeichnungen gesessen und für den heutigen Abend gelernt. (Na ja, un­gefähr die Hälfte der Zeit ist fürs Seufzen und Kichern draufgegangen.) Zwei Stunden vorher habe ich dann mit dem Styling angefangen. Die erste Stunde habe ich damit verbracht, mich aufzuhübschen, und die zweite damit, das Resultat meiner Bemühungen etwas abzumildern, damit es so aussieht, als ob ich mich gar nicht weiter angestrengt hätte.
    Er ist ein bisschen spät dran, aber das ist mir egal. Hauptsache, er ist da.
    Er geht mit mir zu dem dunkelroten Minivan in der Einfahrt (über den glücklicherweise etwas in meinen Aufzeichnungen stand, sonst wären mir doch Zweifel gekommen …) und hält mir die Tür auf. Erstaunlicherweise wirkt das kein bisschen gezwungen, sondern ganz natürlich. Ein echter Gentleman, vermutlich hat er höfliche Eltern.
    Wir machen es uns bequem und schnallen uns an. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, sagt er.
    »Das macht nichts, ehrlich.«
    »Ich hab gemalt und darüber die Zeit vergessen«, erklärt er, während er den Motor anlässt und die Heizung einstellt. »Ich hab gar nicht auf die Uhr geschaut.«
    Ein leiser Ärger kriecht in mir hoch. Er hat gemalt? Ich hole tief Luft und schiebe das Gefühl beiseite. Jetzt ist er ja da.
    »Wie geht’s dir?«, will er wissen, und seine Stimme klingt so samtig, dass ich ihn am liebsten sofort packen möchte und … na ja, irgendwas halt. Ich weiß auch nicht so genau. Den Ärger habe ich jedenfalls komplett überwunden.
    »Gut«, sage ich mit einem Lächeln. »Und dir?«
    »Jetzt besser«, sagt er, während er rückwärts aus der Einfahrt setzt.
    »Rieche ich da etwa Pizza?«, frage ich, und plötzlich läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
    Luke sieht kurz zu mir rüber, dann wieder auf die Straße.
    »Sorry. Ich musste noch welche für meine Familie zum Abendessen holen, bevor ich losgefahren bin.«
    »Ah«, sage ich, als Luke den Gang einlegt und Gas gibt.
    Im Hintergrund läuft leise das Radio, während Luke den Wagen durch die Straßen meiner Wohnsiedlung lenkt, als würde er schon seit Jahren hier wohnen. Wenig später befinden wir uns auf dem Freeway in Richtung Norden.
    »Ich dachte, wir wollten uns einen Film anschauen?« Das hat er zumindest meiner Mutter gegenüber behauptet, als die ihn nach unseren Plänen für den Abend gefragt hat. Aber eigentlich spielt es überhaupt keine Rolle, was wir machen. Mit Luke neben mir könnte ich auch stundenlang einfach nur eine Wand anstarren.
    »Keine Sorge, ich hab deine Mom nicht angelogen«, sagt er geheimnisvoll.
    »Wenn, wäre es auch nicht schlimm gewesen«, lautet meine Antwort.

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