Forgotten
über diese Frage endlos lange den Kopf zerbrechen könnte, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, also beschließe ich, es einfach drauf ankommen zu lassen. Ich öffne die Beifahrertür und springe aus dem Wagen in den Schnee. Bevor ich die Tür wieder zuwerfe, drehe ich mich zu Luke um, stecke den Kopf in den Innenraum und frage: »Kommst du jetzt, oder was ist? Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich brauche dringend einen Käsetoast.«
Er lacht, stellt den Motor ab und folgt mir. Kurz darauf stehen wir im warmen Eingangsflur und schälen uns aus Mänteln und Schuhen. Ich kann mir nicht helfen: Unwillkürlich denke ich daran, was wohl passieren würde, wenn ich einfach weitermachen und als Nächstes mein Kleid ausziehen würde …
»Sie hat überall das Licht angelassen. Bist du sicher, dass sie nicht nur kurz weggegangen ist?«
»Luke! Wovor hast du Angst?«, brülle ich in das stille Haus hinein. Sein Blick geht in Richtung Wohnzimmer, als rechne er fest damit, dass meine Mom doch noch aus irgendeiner Ecke hervorspringt.
»Tut mir leid, ich weiß, dass ich paranoid bin. Ich glaub bloß nicht, dass es deiner Mutter gefallen würde, wenn sie wüsste, dass wir spätabends hier allein sind.«
»Okay, erstens leben wir nicht in den Fünfzigern, und zweitens ist es nicht spätabends, es ist …« Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr über dem Klavier im Wohnzimmer. »… gerade mal neun. Offiziell muss ich erst um Mitternacht zu Hause sein. Und drittens, selbst wenn es ihr nicht gefallen würde, dass wir hier allein sind – sie wird es nie erfahren. Sie! Ist! Nämlich! Im! Kino!«
»Und wann ist der Film aus?«, fragt Luke.
Ich stöhne. »Halb elf.«
»In Ordnung, ich fahre dann aber so gegen zehn.«
»In Ordnung.« Ich grinse.
»In Ordnung«, sagt Luke noch mal. Endlich ist er beruhigt. Er stellt sich direkt vor mich und krempelt sich die Ärmel seines Hemdes auf, das er sich vorhin schon aus der Hose gezogen hat. Der Anblick macht mich ganz schwummerig.
Ich mache einen Schritt auf ihn zu, und unsere Gesichter sind nur noch Zentimeter voneinander entfernt. Ohne lange zu zögern, und in der Hoffnung, dass Küssen im selben Hirnareal abgespeichert ist wie Fahrradfahren, so dass ich weiß, wie es geht, auch wenn ich mich nicht dran erinnern kann, es schon mal gemacht zu haben, recke ich mich, nehme Lukes Gesicht in beide Hände und drücke ihm einen Kuss auf die weichen Lippen. Er entzieht sich mir nicht, sondern kommt mir entgegen und beugt sich zu mir herab, so dass ich nicht mehr auf den Zehenspitzen stehen muss. Dann schlingt er seine Arme um mich, und ich spüre seine warme Hand auf dem Rücken. Meine Hände wandern wie von selbst in seinen Nacken. Ich verliere jedes Zeitgefühl und gebe mich ganz diesem immer heftiger werdenden Kuss hin.
Mein Herz rast, und schon wieder muss ich ans Ausziehen denken. Ich drücke mich an ihn, und wir stolpern ein paar Schritte, noch immer fest miteinander verschweißt, bis Luke mit dem Rücken gegen die Haustür stößt. Ich schmiege mich an seine Brust, die sich anfühlt wie warmer Marmor. Seine Hand zerwühlt mein Haar, und mein Atem geht immer schneller, während ich ihn weiter küsse, küsse, küsse.
Plötzlich schrillen alle fünf Apparate unserer Telefonanlage gleichzeitig los. Luke und ich hechten mit einem erschreckten Satz auseinander, als hätten wir einen Keuschheits-Alarm ausgelöst. Dann wird uns klar, woher das Klingeln kommt, und ich muss ein bisschen kichern, nicht nur wegen unserer Schreckhaftigkeit, sondern auch weil wir so wild übereinander hergefallen sind. Luke lacht ebenfalls.
Ich mache zwei Schritte zurück, stolpere dabei über meine Schuhe und falle auf den Hintern. Jetzt wandelt sich das Kichern zu einem Lachanfall, der so heftig ist, dass ich keine Luft mehr bekomme und ich mich zu einer Kugel zusammenkrampfe. Luke kommt zu mir und setzt sich neben mich auf den Boden.
Endlich hören die Telefone auf zu klingeln. Es gelingt mir, mich ein bisschen zu beruhigen.
»Ich liebe dein Lachen«, meint er.
»Danke. Ich lache gern«, antworte ich.
»Ich weiß. Das mag ich mit am meisten an dir. Weißt du noch, wie du auf unserem ersten Date ausgeflippt bist? Das war total süß.«
Gut zu wissen, denke ich bei mir.
»Erzähl mir noch mehr«, sage ich und strecke mich lang auf dem Perserteppich aus. Jetzt liegen wir Kopf an Kopf, und unsere Körper zeigen in einem spitzen Winkel voneinander weg wie ein V.
»Hm. Du willst wissen, warum ich
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