Forgotten
ist zwar ausnahmsweise erlaubt, fühlt sich aber trotzdem verwegen an.
Drinnen huschen die Disco-Scheinwerfer durch den Raum, und die Musik ist eine Idee lauter als ohrenbetäubend. Ich lasse den Blick durch die Halle schweifen und erspähe Carley Lynch, umringt von Alex und dem Rest ihrer Getreuen. Ihre Kleider sind so tief ausgeschnitten, dass bei mir erst mal eine Runde Fremdschämen angesagt ist.
Ganz am anderen Ende der Halle sehe ich Jamie, die sich genau im gleichen Moment umschaut, so dass unsere Blicke sich treffen. Wir sehen uns einen Moment lang an, dann dreht sie sich weg. Sie trägt ein wunderschönes schwarzes Kleid und steht neben einem Jungen, den ich nicht kenne.
Es dauert ein paar Sekunden, bis der Stich, den mir ihr Verhalten versetzt, abgeklungen ist und ich mir ins Gedächtnis rufe, dass Jamie und ich noch lange Zeit Freundinnen sein werden. Vielleicht ist ihr das im Augenblick nicht bewusst, aber sie hat mich gern.
Ich folge ihrem Blick, und mein Magen krampft sich kurz zusammen, als mir klarwird, dass sie Mr Rice anstarrt, der heute Abend Aufsicht hat. Er sieht sie an, wie kein verheirateter Lehrer jemals eine sechzehnjährige Schülerin ansehen sollte, und mir wird prompt schlecht.
Luke muss es auch aufgefallen sein. »Komm, lass uns tanzen«, sagt er, bevor mir der Gedanke an die beiden die Laune vollends verderben kann.
Wir schieben uns bis zur Mitte der Tanzfläche durch, und auf einmal sind wir von tausend funkelnden Sternen umgeben, die die Discokugel in den Raum wirft. Ich lege meine Arme auf Lukes Schultern, und während ich seine starken Hände an meiner Taille spüre und dem Song lausche, zu dem wir uns langsam hin und her wiegen, stelle ich mir vor, wie es wäre, ihn zu heiraten.
Das hier könnte unser Lied sein.
Ich lasse mich von dem weichen, verträumten Gesang davontragen, genieße den Moment und überlasse mich meinen Gedanken – bis sie bei Kindern angelangt sind. Urplötzlich wird alles ganz dunkel, und in meinem Kopf überschlagen sich Fragen, die ich nicht beantworten will.
Ist das tote Kind von mir und Luke? Kann ich mich deswegen nicht an ihn erinnern? Weil das, was wir zusammen durchmachen werden, zu schmerzhaft ist?
Ich ziehe Luke näher an mich ran, presse meine Wange gegen seine Schulter und kneife ganz fest die Augen zu, als könnte ich so die Gedanken verscheuchen. Irgendwie muss er gemerkt haben, dass ich Halt brauche, denn obwohl er die Tränen nicht sieht, die mir in den Augen stehen, streicht er mir sanft über den Rücken, als wolle er sagen, dass alles gut wird.
Am liebsten würde ich ihn nie, nie wieder loslassen.
Drei langsame Songs lang tanzen Luke und ich, als wären wir miteinander verschweißt, dann beschließt der DJ , ein bisschen mehr Gas zu geben.
Meine Trommelfelle beben, als der Remix eines Disco-Klassikers aus den Boxen dröhnt, der auf jeder Hochzeit und jeder Party laufen wird, die ich im Laufe meines Lebens besuchen werde. Die Mutigeren tanzen dazu, während diejenigen, die entweder zu cool oder zu schüchtern sind, sich an den Rand der Tanzfläche zurückziehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, zu welcher Gruppe Luke und ich gehören, jedenfalls räumen auch wir das Feld.
»Ein Glas Punsch?«, frage ich.
»Ist das nicht eigentlich mein Text?«, fragt Luke zurück.
Ich zucke mit den Schultern, und Luke nickt. »Ich geh solange kurz Adam hallo sagen, danach können wir uns im Schnee wälzen.« Er zeigt auf eine Reihe von Sitzbänken, die in einer künstlichen Winterlandschaft stehen.
Lachend gehe ich zur Schlange am Getränketisch und schnappe mir zwei durchsichtige Plastikbecher. Ich warte, bis ich an der Reihe bin, und fülle sie. Dann suche ich mir eine verschneite Bank aus und mache es mir gemütlich.
Zwei Bänke weiter sitzen Gabby aus Sport und ihr Date Christopher. Beide werfen mir einen Blick zu, als würde ich nach alten Socken riechen. Sie wissen es noch nicht, aber Christopher wird nächstes Jahr, wenn wir unseren Abschluss machen, die Auszeichnung als Jahrgangsbester bekommen.
Im Moment allerdings ist er, obwohl er gebaut ist wie Superman, nicht mehr als ein kleines hilfloses Kaninchen in Gabbys Boa-Constrictor-Umarmung. Schnell sehe ich weg. Wo sind die Aufsichtspersonen, wenn man sie wirklich braucht? Ich kann nur hoffen, dass Luke sich beeilt.
»Sorry«, sagt er, als er endlich neben mir auftaucht. »Adam wollte gar nicht mehr aufhören zu quatschen.«
»Macht nichts«, sage ich und reiche ihm seinen
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