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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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einmal
tief Luft und ging dann hinein, wobei ihn die Diener nur prüfend musterten.
Präfekt Johann Michaelius gab sich gern volksnah und dachte offenbar gar nicht
daran, seinen Besitz durch ein aufwändiges und kostenintensives Wachzeremoniell
zu sichern, wie das in anderen Präfekturhauptstädten üblich war. Drinnen wurde
Dorian von einem Graico-Diener in Empfang genommen. Er führte ihn durch ein
Wechselbad von säulengesäumten, dämmrigen Wandelgängen und hell erleuchteten
Korridoren und Sälen einem Ziel entgegen, das der Diener als „das Jagdzimmer“
bezeichnete. Letzte Gelegenheit für den Versuch, die verrückten Ereignisse
dieses Tages wenigstens für ein Weilchen in den Hintergrund zu schieben und
sich auf die Erfordernisse dieses Abends zu konzentrieren. Larkishs Andeutungen
über Flugapparate hatten ihn vollends durcheinandergebracht. Und zu allem Übel
kam er auch noch zu spät.
    Erst als der Diener die Flügeltüren am Ende eines
Korridors öffnete, fiel ihm ein, dass er besser noch einmal den Sitz von Anzug,
Frisur und Schuhschnallen kontrolliert hätte, aber auch dazu war es jetzt zu
spät.
    Auf den ersten Blick erkannte er dann, dass er mit
völlig falschen Vorstellungen hergekommen war: Hier erwartete ihn keineswegs
ein großes, offizielles Diner, bei dem man in einer Menge von Gästen untertauchen
konnte. Dies war ein Raum mit familiärer Atmosphäre, geräumig zwar und mit
dunkelbraunem Holz und kostbaren Dabruz-Teppichen beeindruckend genug
ausgestattet – vor allem, dachte Dorian, wenn man selbst seit Monaten in einem
Wagen mit Hängematte hauste. Aber neben den üblichen Wandteppichen mit
historischen Szenen hingen an den getäfelten Wänden Familienporträts und
Jagdtrophäen – der Präfekt war, wie allgemein bekannt, ein begeisterter
Harpunenjäger, und offensichtlich hatten seine Vorfahren oft genug und mit
Erfolg an den Herbstjagden in den Wäldern Maikonnens teilgenommen.
    Man war bereits bei der Suppe. Um die ovale Tafel
waren nur sechs Männer versammelt. Sie sahen alle auf, als der Diener seine
Ankunft meldete.
    „Sehr gut, herein mit ihm! Und dann bring Ska
Inglewing die Suppe, Clairos – und sie soll heiß sein!“, befahl der Mann am
Kopf der Tafel und lud Dorian mit jovialen Worten an den Tisch.
    Er begrüßte den Präfekten, entschuldigte sich höflich
für seine Verspätung und ließ sich dann, so vorsichtig, als stünden Tafel und
Stühle auf dünnem Eis über einem tiefen, dunklen See, vor dem unberührten
Gedeck nieder – zwischen Larkish, der ihn zugleich ungeduldig und auf ironische
Weise belustigt betrachtete, und einem dünnen, fahlhäutigen Mann mit schütterem
Haar und grämlichem Gesicht, der den Löffel unlustig durch seine Suppe schob.
    „Schön, dass Sie nun da sind, Inglewing!“, befand der
Präfekt, ein braungebrannter Mann in den Fünfzigern mit sonnengebleichtem Haar.
„Wir haben schon mal mit der Suppe angefangen, frische Garnelen von der
Tabarnen-Mündung, erstklassig, muss ich sagen – ah, da ist Clairos auch schon
mit der Terrine … füll ihm eine ordentliche Portion auf … Kerbelsahne dazu …
lassen Sie es sich schmecken!“
    Es duftete verlockend genug, aber Dorian konnte das
Eis unter seinen Füßen geradezu knistern hören. Familiäre Atmosphäre, da hatte
er sich nicht getäuscht – und das bedeutete: Hier erwartete ihn ein
gesellschaftliches Minenfeld. Die klaren Regeln eines formellen Diners waren in
undurchschaubarem Umfang außer Kraft gesetzt, was wiederum bedeutete, dass man
in ebenso undurchschaubarem Ausmaß alles falsch machen konnte. Der gut
geschneiderte Abendanzug, die Spange, die sein Haar wie vorgeschrieben
zusammenhielt, die schwarzen Schuhe samt Silberschnallen – all das half ihm
hier wenig. Der joviale Ton des Präfekten konnte einen leicht zu mehr Offenheit
verleiten, als gut war, und tausend böse Fallen warteten nur darauf, dass man
hineintappte. Das kannte er schon von seinen nicht allzu freiwilligen Besuchen
auf Lemorinac, dem Gut der Autrejaunes. Er warf einen Blick in die Runde.
    Rowland war natürlich da, und in dem kleinen Kreis
leider auch nicht zu übersehen, zumal er neben Michaelius saß. Der junge Mann
an dessen anderer Seite, mit dem Gesicht, das wie aus Eis geschnitten wirkte,
kam ihm vage bekannt vor. Der massige Mann mit der nur notdürftig frisierten
grauen Mähne ihm schräg gegenüber, der die Suppe in sich hineinschlürfte wie
ein Wal seine stündliche Plankton-Ration, war Offa Oswiu, der

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