Fortunas Odyssee (German Edition)
Angestellten kannte Mama schon, und sie wurde mit großer Freude empfangen. Tim und Fred waren am Anfang etwas schüchtern, aber dann beantworteten sie die Fragen der Kinder, die sich für das Leben in der Stadt interessierten. Einige wollten mit der Hand durch Tims Haare streichen, die schon über seine Ohren gewachsen waren und den Hals berührten. Fred war der ältere und wurde deswegen von den Kindern öfter ausgefragt. Er konnte nicht wie sie mit einem einfachen angespitzten Bambusstock fischen und er konnte auch nicht den Gesang bestimmter Vögel oder das Heulen der Wölfe imitieren. Die Kinder dieser Fazenda waren wie Indios, sie hatten einen engeren Kontakt zur Natur und kannten ihre Geheimnisse. Fred versuchte, über Schach zu reden, bemerkte jedoch schnell, dass sie nicht wussten, wovon er sprach. Also erzählte er von den Brücken, die sie im Garten gebaut hatten; der Gesprächsstoff ging ihnen jedenfalls nicht aus.
Tim beobachtete mehr. Er schaute sich um und achtete auf jedes Detail. Ihm fiel zum Beispiel auf, dass die meisten Kinder barfuß liefen und zerrissene Kleider trugen. Er registrierte, dass die Frauen kunstvoll geflochtene Zöpfe trugen, in die zusätzlich bunte Bänder eingearbeitet waren, die über ihre Schultern fielen. Die Ketten und Armreife hatten sie selbst angefertigt, und der Schmuck an den Beinen verlieh ihnen einen zusätzlichen Charme.
Ein schönes Mädchen bemerkte sein Interesse und erklärte, dass hier viele Frauen Kunsthandwerk betrieben und ihre Produkte in der Stadt verkauften, was ihre einzige Einnahmequelle darstellte. Mama hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.
»Das heißt, ihr erhaltet keinen Lohn?«
Sie lachte und zeigte ihre Handflächen.
»Wir haben Schwielen von der harten Arbeit, aber Geld bekommen wir nur für unser Kunsthandwerk, das wir abends betreiben. Das ist unser Leben seit vielen Generationen.« Nach einer Pause fügte sie resigniert hinzu: »Und ich glaube, es wird immer so sein.«
Esperanza bot Mama und Tereza Hocker an, die für sie reserviert waren, aber sie lehnten ab. Sie wollten wie die anderen behandelt werden und keine Sonderstellung einnehmen; deswegen legten sie Wert darauf, sich auf eine Strohmatte zu setzen. Die Nacht brach herein, die Kerosinfackeln erleuchteten zusammen mit der brennenden Holzpyramide einen großen Bereich und warfen einen Schein auf ölige Gesichter mit konzentrierten Augen. Zwei ältere Männer spielten Viola und Akkordeon, und alle anderen sangen dazu in einem einzigen Chor.
Einige junge Frauen standen auf und fingen an zu tanzen, und bald gesellten sich Kinder und Männer hinzu.
Es gab Wein und Fruchtsäfte, und die erste Runde Fleisch war kaum verzehrt, als noch mehr ihre Holzteller füllte. Sie aßen mit den Händen, tranken aus Aluminiumbechern und niemanden störte der mangelnde Komfort.
Sie lachten und tanzten, während die Musiker pausenlos weiterspielten. Esperanza zeigte ihr Talent und sang zu den Klängen der Viola. Alle hörten gebannt zu, und so sehr ich mich auch konzentrierte – es gelang mir nicht, auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Das Lied erinnerte mehr an ein Gebet, denn während sie sang, hielten alle die Hände ihrer Nachbarn und schlossen die Augen.
Kaluga ergriff Mamas Hand, und sie war glücklich über diese Geste. Als alle schon satt waren, gab es immer noch Fleisch. Meine Familie aß, was in den Magen passte, und alle wünschten sich, es könne jeden Tag so sein. Nur Fred war in dieser Hinsicht in einer besseren Lage, denn er wohnte im Haus des Arztes. Aber er wünschte sich, dass es öfter Augenblicke gäbe, in denen meine Familie so glücklich vereint sein könne.
Nach dem Applaus gab es Umarmungen und angeregte Unterhaltungen.
Einige legten sich auf die Strohmatten und genossen den Sternenhimmel, während sich die anderen im Sitzen oder im Stehen unterhielten und lachten.
Die Kinder rannten herum und warfen sich gegenseitig um, lachten, standen auf und rannten weiter. Sie amüsierten sich königlich.
Tereza unterhielt sich mit Esperanza, und beobachtete Mama argwöhnisch von der Seite, die lächelnd neben Kaluga saß.
, dachte sie.
Wer meine Mutter kannte, hatte keine Zweifel, dass sie sich zu diesem jungen Mann hingezogen fühlte. Einige Mädchen schauten zu den beiden hinüber und flüsterten.
Die Nacht war wunderbar, alles war so perfekt wie ein schöner Traum, der niemals enden dürfte.
»Hören wir auf, uns zu siezen,
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