Fortunas Odyssee (German Edition)
sich die Tränen ab, wobei ihre Hände zitterten.
»Kita, ich hole Aristeu, er kann Ihnen bestimmt helfen.«
Er überprüfte den Blutdruck und stellte einige Fragen. Dann kam er zu dem Schluss, dass sie an Bluthochdruck und Depres-sionen litt und behandelt werden müsse.
Die Arme ahnte nicht, dass ihr Sohn zu dieser Zeit im Seminar sexuell missbraucht wurde und sich bald das Leben nehmen würde – wie ich schon erzählt habe.
Für Tim waren die Tage im Krankenhaus aufgrund der ständigen Einnahme von Antibiotika alles andere als angenehm gewesen. Die Krankheit hatte ihn so geschwächt, dass er nur einige Schritte im Zimmer auf und ab gehen konnte. Er war zwar geheilt, brauchte aber anfangs noch viel Ruhe, obwohl er mit der Zeit kräftiger wurde und längere Spaziergänge unternehmen konnte. Am liebsten ging er in den Park und sah zu, wie sich die Kinder mit Spielen, die er nicht kannte, die Zeit vertrieben. Tante Geórgia stellte ihn den Jungen aus dem Kirchenchor vor, und obwohl er sich weigerte, die Messen zu besuchen, begleitete er sie oft bei ihren Ausflügen.
Er war immer freundlich zu allen, was vor allem die Freundinnen seiner Tante an ihm schätzten. Sie brachten immer Geschenke mit, Kleider, Bücher und interessante Spiele. Mit der Zeit gewöhnte er sich an das Leben in der Stadt.
Genésio war eine ganze Woche lang verreist. Die Sklaven nutzten seine Abwesenheit, um sich mehrmals zu versammeln.
»Wir müssen den Vorarbeiter beschatten«, schlug einer vor.
»Und ihn umbringen, wenn wir entdecken, dass er es war«, meinte ein anderer voller Rachegelüste.
»Immer mit der Ruhe, meine Brüder«, warf Esperanza ein. »Wenn ihr ihn tötet, bezahlt er nicht für das, was er getan hat.«
»Woher nehmt ihr die Sicherheit, dass er es war?«, fragte Mama.
Die Reaktion war ironisches Gelächter vermischt mit einigen Schimpfworten, bis ein älterer Mann sagte:
»Er ist der Teufel in Person, der einzige, der sich verdrückt, ohne dass es bemerkt wird. Rufino wird unsichtbar, wenn er will, und deswegen habe ich keinen Zweifel, dass er während des Festes weggegangen ist.«
Es gab Beifall und zustimmendes Geschrei.
»So ist es!« »Ich weiß, dass er es war!« »Er kennt kein Erbarmen, wenn es um Raub und Mord geht!«
Esperanza hob die Hand, und sie beruhigten sich.
»Wir dürfen nicht den Hass in unsere Herzen lassen. Bis heute hat niemand aus unserer Gruppe Blut an den Händen. Niemand soll dafür verantwortlich sein, dass unsere Kinder einmal für etwas bezahlen, das sie nicht verschuldet haben. Wir tragen das Erbe der Güte…«
»Und die Gerechtigkeit?!«, schrie einer.
»Sie wird siegen, aber dazu müssen wir uns für das Gute vereinen, das Gute denken und es für alle wünschen. Wenn wir so handeln, bringen wir unseren Kaluga wieder zurück.«
Alle klatschten Beifall.
»Also, ich finde, wir müssen anfangen, die Schritte des Vorarbeiters zu verfolgen. Wir müssen den Coronel überzeugen, ihn zu verhaften und Kaluga freizulassen. Aber wir müssen uns vorsehen und mit List und Beweglichkeit vorgehen, bevor er mit diesem Schmuck verschwindet. Denn ich glaube, er hat ihn irgendwo versteckt«, sagte Mama.
Alle stimmten zu und berieten sich über die nächsten Schritte.
Ich war platt über die Kühnheit und das Benehmen des Coronels, als sei er ein Justizbevollmächtigter. Er hatte den Sklaven ohne jegliche polizeiliche Ermittlung verhaftet und hielt ihn gefangen.
Rufinos Hütte lag am linken Flussufer, und um dorthin zu gelangen, musste man nicht weit laufen. Man musste nur einen engen Trampelpfad durch hohes Schilf gehen. Das Haus war so einfach wie die Hütten der anderen Angestellten, aber es war von einer unheimlichen Atmosphäre umgeben, sodass sich niemand in seine Nähe wagte, abgesehen von der Tatsache, dass keiner von ihnen jemals zu Besuch eingeladen worden war. Nicht dorthin zu gehen, war eher eine Frage der Ehre als fehlender Mut, denn dieser Mann hatte ihre Freundschaft nicht verdient. Einige Kinder, die ihre Neugier nicht zügeln konnten, hatten einen Blick durch das Fenster geworfen und nichts anderes gesehen, als einen Tisch, einen Hut, einige Kleider, die an Nägeln an der Wand aufgehängt waren, und einen kleinen Holzherd.
»Aber brecht nicht in sein Haus ein!«, bat Mama.
Andere Einzelheiten wurden festgelegt, bevor Rufino in der Kurve vor dem Haupttor erschien.
Seitdem Kaluga festgenommen worden war, hatte es keine Grillnächte mehr gegeben. Sie trafen sich nur, um ihre
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